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Nikolas Friedrich

Wer ist schneller: Ford oder Ferrari - LE MANS 66 - GEGEN JEDE CHANCE



Inhalt:

Das Jahr 1966. Der Automarkt wird von europäischen Herstellern dominiert. Das sechste Mal in Folge hat Ferrari das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen. Henry Ford II. (Tracy Letts) muss sein Geschäftskonzept überdenken. Nach einem gescheiterten Versuch, Enzo Ferrari (Remo Girone) zur Fusion mit Ford zu bewegen, soll das anstehende Rennen in Le Mans um jeden Preis gewonnen werden - als persönlicher Vergeltungsschlag. Der Automobilhersteller Carroll Shelby (Matt Damon) und sein langjähriger Freund, Rennfahrer Ken Miles (Christian Bale), werden für das Unterfangen angeheuert. Shelby soll das schnellste Auto entwerfen, das je unter Ford hergestellt wurde; Miles soll es fahren. Das sowieso unter Hochdruck arbeitende Team sieht sich mit einer weiteren Hürde konfrontiert, als zwischen Miles und Ford-Rennleiter Leo Beebe (Josh Lucas) eine persönliche Fehde ausbricht und Miles aus Le Mans abgezogen werden soll. Der Feind lauert längst auch in den eigenen Reihen.


Kritik:

Autos sind Männersache. Das ist kein Fakt und auch keine Feststellung, sondern ganz einfach das Mantra von "Ford v Ferrari", der neuesten Regiearbeit von James Mangold ("Walk the Line"). Die Symbiose, die Ken Miles (Christian Bale) auf der Rennstrecke mit seinen Autos eingeht, ist immer ganz explizit die zwischen Mann und Maschine. Ein romantisierter Verschmelzungsprozess, in dem die Signale des vibrierenden Motors erspürt, verstanden und schlussendlich gezähmt werden müssen. Wenn die Rennfahrer, Automechaniker und Firmenchefs des Films über ein Kraftfahrzeug zu reden beginnen, dann geht es immer um eine "sie" - die weibliche Schlüsselentität in einer Welt voller eitler Männerhybris und -komplexe, deren große Ironie vom Film lieber in Pathos und Sentimentalität verwässert wird. Bei dem historischen Event, das Mangold und seine drei Drehbuchautoren Jez Butterworth, John-Henry Butterworth und Jason Keller zum zweieinhalbstündigen Rennsportepos aufblasen, handelt es sich nämlich um nicht viel mehr als einen albernen Zickenkrieg.



Die Kriegserklärung der Ford Motor Company im Jahr 1966, beim legendären Autorennen im französischen Le Mans Konkurrenzunternehmen Ferrari auszustechen, ist das Resultat verletzten Männerstolzes. Dass Enzo Ferrari das Angebot ablehnt, seine Firma mit der Ford Motor Company zu fusionieren, macht nicht den Unterschied. Dass er in seiner Zornesrede Ford-Autos als hässlich und Henry Ford II. als fett bezeichnet, ebenfalls nicht. Aber dass er letzterem vorwirft, nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten zu können - das geht zu weit. "In den Krieg ziehen" möchte Ford - und beim anstehenden Rennen die schnittigen Ferrari-Modelle im Staub der eigenen Autos zurücklassen, koste es was es wolle. Mangold und seine Autoren verkennen den Humor ihrer Prämisse nicht gänzlich, aber sind auch viel zu befangen in der eigenen perspektivischen Logik. In den eigens heraufbeschworenen Kleinkrieg gilt es sich hineinzudenken und Stellung zu beziehen.


Die diesen Krieg in Auftrag gebenden Anzugträger sollen verstanden, aber auch verdammt werden. Mangolds Herz schlägt für den kleinen Mann, der zwischen den Fronten des kapitalistischen Hahnenkampfes gefangen ist und zum Erfüllungsgehilfen degradiert wird. Die Arbeitsbeziehung und Freundschaft zwischen Ken Miles und Carroll Shelby (Matt Damon) wird demnach zum emotionalen Kern der Geschichte. Über die Figuren etwas zu erzählen, jenseits ihrer Einbettung in den dem Film zentralen Konflikt, fällt dennoch schwer. Schwülstige, mit Voice-Over versehene Sonnenuntergangsbilder von einsamen Autos auf Rennstrecken versuchen den Reiz und die Romantik ebenjener egoistischen Freiheit zu greifen, der Miles schon Zeit seines Lebens in rasender Schnelle hinterherjagt. Dass diese von Matt Damon aus dem Off vorgetragenen Kalendersprüche rührend sein können (und sogar sind), ist natürlich klar. Nur besonders tiefsinnig sind sie leider nie.


Anstatt zum tatsächlich einnehmenden Charakterporträt zu reifen, findet "Ford v Ferrari" in Mangolds formaler Kompetenz und der scheinbar dem Skizzenbuch für Sportfilme entlehnten Dramaturgie zu einer entspannten Selbstgenügsamkeit, das sich irgendwann auf den Zuschauer zu übertragen beginnt. Der Film quietscht vor Drehbuchmechanik, dass die Funken nur so sprühen. Regisseur und Autorenteam aber verschreiben sich ihrem Regelbuch mit so einer Inbrunst, dass man vor der Formelhaftigkeit, mit all ihren abgesteckten Grenzen und erwartbaren Erzählmanövern, irgendwann kapituliert - und ihr verfällt. Das in seiner Gänze vermutlich einstündige Finale des Films, das den 24-Stunden-Zeitraum des Autorennens in Le Mans abdeckt, ist absolut mitreißend, mit seinen rasanten Hochgeschwindigkeitsbildern und dem präzisen Schnitt, der sie unter anderem ins Verhältnis zur unmittelbaren Reaktion von Miles' Sohn Peter (Noah Jupe) und Frau Mollie (Caitriona Balfe) setzt, die zuhause vor dem Fernseher den Atem anhalten.



Dass vor allem Mollie immer nur eine Randnotiz und noch nicht einmal die Stimme der Vernunft in Miles' Leben sein darf (eine Rolle, die zuletzt Claire Foy in "Aufbruch zum Mond" mit Hingabe spielte), enttäuscht. Sie darf ihren Ehemann mit Sorge im Blick auf die Rennbahn verabschieden oder aber sich amüsieren, wenn er mal wieder Fäuste statt Worte sprechen lässt. Im schönsten Moment des Films lässt Miles ab von seiner Verbissenheit und schaut, vielleicht das erste Mal wirklich aufmerksam, in den Rückspiegel. Dass auch "Ford v Ferrari" für einen Moment von seiner Jungsromantik ablässt, den vorherrschenden Egozentrismus in einer Geste der Gemeinschaftlichkeit transzendiert sehen möchte, ist ganz wunderbar. Aber dann, im Ziel angekommen, geht es plötzlich doch wieder nur ums Gewinnen. Der kleine Mann ist der Sieger der Herzen, aber Pokal und Schampusregen bleiben ihm verwehrt. "Nächstes Jahr kriegen wir sie dran", wird sich gegenseitig versichert. Jungs bleiben halt doch Jungs.


Fazit:

Wenn sich selbst Enzo Ferrari, bis dahin als aufbrausender, gehässiger Italo-Schurke inszeniert, im Finale nicht für ein Zeichen der Anerkennung zu schade ist, entblößt "Ford v Ferrari" seine Natur ganz ohne Scham: Es ist ein Film über Männer, die einander ausstechen wollen, eigentlich aber nur die gegenseitige Anerkennung ersuchen. Diesen zweieinhalbstündigen Schwanzvergleich möchten Regisseur James Mangold und seine Drehbuchautoren nie hinterfragen, noch nicht einmal verspotten. Sie denken sich in ihn hinein und zelebrieren ein sentimentales Bild klassischer Männlichkeit, das man 2019 schon in den Ruhestand verabschiedet wähnte. Ihre technischen Kompetenzen, die belebte Darstellerriege und ein in beinahe allen Belangen mitreißendes Finale tönen hinweg über das Rattern der Zahnräder, die hier unter der Motorhaube zugange sind.

Trivia & Fun-Facts: - Christian Bale sollte ursprünglich die Titelfigur in Michael Manns "Enzo Ferrari" (2020) spielen, schied jedoch aus, weil er Bedenken hatte, rechtzeitig das richtige Gewicht für den Film zu bekommen. Mann ersetzte ihn durch Hugh Jackman.

- Der Film trug den Arbeitstitel "Go Like Hell" und Tom Cruise und Brad Pitt wurden für die Hauptrolle in Betracht gezogen

- Dies hätte die zweite Zusammenarbeit zwischen Christian Bale und Matt Damon werden können, hätte er damals die Rolle des Harvey Dent in "The Dark Knight" (2008) übernommen

- Es ist das dritte Mal, dass Matt Damon mit einem Schauspieler zusammenarbeitet, der Batman verkörperte. Zuvor arbeitete er mit Ben Affleck und George Clooney.




 


 

Bilder und Trailer: © 2019 20th Century Fox

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