KARATE KID: LEGENDS - Mehr Shifu als Showdown
- Haiko
- 30. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Juni
Die Karate Kid-Legende lebt – und mit ihr soll ein ganzer Mythos auf die große Leinwand zurückkehren. KARATE KID: LEGENDS hat die große Aufgabe, die perfekte Balance zu meistern: zwischen einer neuen Geschichte und der ehrfurchtsvollen Würdigung eines 40 Jahre alten Filmvermächtnisses, das Generationen von Zuschauern geprägt hat.
Neben Actionlegende Jackie Chan und Karate Kid-Ikone Ralph Macchio steht und fällt der Film mit seinem neuen Hauptdarsteller. In Ben Wang haben die Filmemacher jemanden gefunden, der die inneren Konflikte seines Charakters – das Navigieren zwischen verschiedenen Kulturen, das Gefühl des Fremdseins in der Heimat – authentisch verkörpern konnte. Als 2010 der Vorgänger KARATE KID mit Jackie Chan und Jaden Smith in die Kinos kam, war Wang gerade selbst aus Peking in die USA zurückgekehrt. Er versteht den Kampf um Zugehörigkeit, die Suche nach dem eigenen Weg zwischen Tradition und Moderne. Diese persönliche Erfahrung ließ ihn sofort Parallelen zu dem in Peking spielenden Film und dessen Geschichte entdecken – eine Verbindung, die seiner Darstellung authentische Tiefe verleiht.
Der neue KARATE KID erzählt die Geschichte von Li Fong - einem jungen Mann, der seine Heimat verlassen muss und sich plötzlich mit seiner Mutter im hektischen New York wiederfindet. Ohne Wurzeln, ohne Freunde, ohne Orientierung. Was folgt, ist eher eine klassische Coming-of-Age-Geschichte: die mühsame Suche nach dem eigenen Platz in einer fremden Welt. Während Kampfszenen und die spirituelle Tiefe des Karate die Oberfläche bestimmen – jene Elemente, die Ralph Macchio seit den 1980ern am Herzen liegen – entwickelt sich darunter eine viel intimere Geschichte. Es geht um das Finden von Vertrauten, um Mentoren, die den richtigen Weg weisen, und um die Erkenntnis, dass Familie nicht nur aus Blutsverwandtschaft besteht. Eine Geschichte darüber, was Heimat wirklich bedeutet und wie man sie an den unerwartetsten Orten findet.

Außenseiter mit einem Traum zu sein, dabei die eigene Individualität zu bewahren und dennoch dazugehören zu wollen – wer kennt dieses Gefühl nicht? Und haben wir uns nicht alle schon einmal einen Mr. Miyagi gewünscht oder, wie in diesem Fall, einen Mr. Han? Jackie Chan kehrt nach anderthalb Jahrzehnten zu KARATE KID zurück und schlüpft wieder in seine Rolle als Shifu, als Großmeister aus Peking, dessen ruhige Stärke und tiefe Weisheit dem Jungen als Mentor zur Seite steht – genau das, was er auf seinem Weg braucht.
Liebe, Rivalität und spirituelle Reise Li Fongs Start verläuft alles andere als reibungslos. Zum Glück begegnet er in der Nachbarschaft Mia Lipani, die in der Pizzeria ihres Vaters arbeitet. Kein New Yorker Hipster-Girl, nicht übertrieben cool – dafür sarkastisch und eigensinnig. Die beiden verlieben sich, unternehmen erste gemeinsame Schritte: Er bringt ihr Mandarin bei, sie führt ihn in das wahre New York ein. Könnte das der Wendepunkt sein? Vielleicht - wäre da nicht Mias Exfreund – ein Kämpfer aus der benachbarten Kampfkunstschule, ein Bad Boy-Rüpel und die perfekte Verkörperung des ultimativen Gegners. Naturgemäß schwört er Rache, und es kommt zum unvermeidlichen ersten Showdown zwischen den Rivalen an der Schule. Der neue Film kombiniert die Essenz des Originals mit klassischen Teenie-Film-Themen: erste große Liebe, Schulprobleme, Nachhilfeunterricht und der Wunsch, endlich jemand zu sein. Daneben existieren die Sorgen der Erwachsenen. Mias Vater Victor hat sich bei den falschen Leuten Geld geliehen – nun wollen die Geldhaie ihre Schulden eintreiben. Li gerät zufällig in diese Auseinandersetzung und hilft Victor, einem Ex-Profiboxer. Als dieser mitbekommt, dass Li kämpfen kann, bittet er ihn, seine Schnelligkeit zu lehren – in der Hoffnung, bei einem anstehenden Boxkampf das Preisgeld zu gewinnen und erneut in den Ring steigen zu können. Als das schiefgeht, erfährt Li von der "Five Boroughs"-Karate-Meisterschaft. Auch dort winkt ein satter Gewinn. Doch auch Mias Ex tritt an. Das Ziel: die Vorkämpfe in den Stadtbezirken gewinnen und im großen Finale abkassieren.

Li sucht bei Mr. Han spirituelle Führung. Dieser wendet sich daraufhin an Daniel LaRusso - gespielt von Ralph Macchio - und bittet darum, beider Kampfkünste zu vereinen. Gemeinsam werden die beiden Meister zu spirituellen Wegweisern, die den Suchenden mehr als nur Techniken lehren. Durch ihre vereinte Weisheit findet Li Fong zu seinem inneren Gleichgewicht und entdeckt die wahre Stärke, die bereits in ihm ruhte.
Die knappe Laufzeit von 94 Minuten macht sich deutlich bemerkbar. Zu vieles wird im Eilverfahren abgehandelt. Die entscheidenden Kämpfe in den Stadtbezirken werden regelrecht abgefertigt – wie ein am Boden liegender Boxer nur noch abgezählt wird. Hier hätte man sich mehr Sorgfalt und Liebe zum Detail gewünscht. Auch die Kampfsequenzen sind für Jackie Chan-Verhältnisse handwerklich mangelhaft. Manche Fights leiden unter zu naher Kameraführung, verwackelten Bildern und schlechten Schnitten – so dass kaum etwas ist zu erkennen. In Zeiten von JOHN WICK oder dem kommenden BALLERINA wirken diese geradezu stümperhaft – auch wenn der Film nie diese harte Actionfilm-Ästhetik anstreben wollte.
Fazit: KARATE KID: LEGENDS ist weder ein großer Martial-Arts- noch ein Actionfilm. Es ist ein Film über das Leben mit universellen Themen – ideal für Teenager als Einstieg in die Welt von KARATE KID. Jackie Chan und Ralph Macchio versprühen den nostalgischen Geist der Originale, Mr. Miyagi entfaltet selbst in Rückblenden seinen Charme. Auch wenn er im Schatten der legendären Klassiker steht, übertrifft er den direkten Vorgänger von 2010 und bietet dennoch sowohl Neueinsteigern als auch Fans solide Unterhaltung. Überlebensgroße Charaktere, komische Momente und New York als zeitlose Kulisse – Rezept für einen angenehm kurzweiligen Kinoabend für die ganze Familie.

Bilder und Trailer: © 2025 Sony Pictures Entertainment Inc.
Comments