FROM THE WORLD OF JOHN WICK: BALLERINA - Schöner Tanz, alte Schritte
- Haiko
- 4. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Chad Stahelski - Regisseur und Co-Schöpfer der ersten vier JOHN WICK - Filme und Regisseur David Leitch durchliefen die perfekte Hollywood-Transformation: vom Stuntman zum Regisseur. Während Leitch Filme wie DEADPOOL 2 und BULLET TRAIN inszenierte, perfektionierte Stahelski schon in jungen Jahren seine Kunst als Kampfsportler und war Stunt-Double für Brandon Lee in THE CROW und später für Keanu Reeves in MATRIX. Ihr gemeinsames Action-Design-Unternehmen 87eleven unterhält ein spezielles Stunt-Team, das permanent an der Perfektionierung ihrer Kunst arbeitet. Sie machten JOHN WICK zum Phänomen – durch Stahelskis einzigartige Philosophie, Filme wie Musicals zu choreographieren, nur mit Kampfszenen statt Gesang und Tanz. Aus einem einzelnen Film entstand ein ganzes Franchise: vier Hauptfilme, die Amazon-Serie THE CONTINENTAL und nun BALLERINA (Kinostart: 05.06.2025).
Stahelski macht im Regiestuhl Platz für Len Wiseman, und BALLERINA lässt das erfolgreiche John Wick-Universum weiter expandieren. Zeitlich parallel zur Handlung von JOHN WICK: KAPITEL 3 – PARABELLUM folgen wir Eve Macarro - gespielt von Ana de Armas, einer Ballerina der Ruska Roma – einer Organisation, die ihre Ballettschule als Tarnung für die Ausbildung von Auftragskillern nutzt.

Eve verkörpert ein neues Gesicht unter den skrupellosen Auftragskillern, getrieben von einem alles verzehrenden Motiv – Rache für ihren ermordeten Vater. Als Waise kam sie zu den Ruska Roma, wo sich die Geheimnisse ihrer Familie enthüllen und elegante Tanzkunst mit tödlicher Präzision verschmilzt.
Auf ihrem blutigen Rachezug begegnet sie neuen Gesichtern des Franchise: dem geheimnisvollen Daniel Pine im Continental Prag und dem Kanzler, dem gefährlichen Anführer einer sektenartigen Killerarmee. So entsteht eine explosive Mischung aus persönlicher Vendetta und professioneller Kaltblütigkeit. Aber auch vertraute Charaktere kreuzen ihren Weg – die eiserne Leiterin des Ruska Roma-Trainings, gespielt von Anjelica Huston, und des mächtigen Eigentümers des Continental New York, Winston (Ian McShane). So verweben sich Eves persönliche Mission geschickt mit der etablierten John Wick-Mythologie.
Das Graben in der Vergangenheit führt Eve in ein abgelegenes österreichisches Bergdorf namens Hallstatt. Doch anstelle idyllischer Dorfbewohner findet sie eine ganze Gemeinde professioneller Auftragsmörder vor – jeder Einwohner ist im Kampf ausgebildet und tödlich gefährlich. Eve muss all ihre Ruska Roma-Fertigkeiten einsetzen, um sich den Weg freizukämpfen. Und natürlich darf eine Begegnung nicht fehlen: John Wick selbst erhält plötzlich den Auftrag, sie zu stoppen – eine Konfrontation zwischen zwei Meistern ihres tödlichen Handwerks scheint unvermeidlich.

Der entscheidende Unterschied zwischen BALLERINA und JOHN WICK liegt in der Grundmotivation: Während John Wick verzweifelt aus dem Leben als Auftragsmörder aussteigen will, drängt Eve regelrecht in diese Welt hinein. Diese umgekehrte Dynamik hätte dem Film eine einzigartige Note verleihen können – die Umstände, unter denen sich jemand bewusst für ein solches Leben entscheidet, bergen enormes dramatisches Potenzial. Stattdessen serviert uns BALLERINA das altbekannte Rache-Rezept: Familie stirbt, Heldin schwört Vergeltung, sammelt tödliche Fähigkeiten. Das Potenzial für echte Originalität bleibt ungenutzt auf der Strecke.
Der Erfolg der JOHN WICK-Reihe wurzelt maßgeblich in Keanu Reeves' zen-artigem Charisma, der mit seiner Sportlichkeit die Action von Kapitel zu Kapitel auf ein höheres Level hob. Nun brauchten sie ein weibliches Pendant. Ana de Armas hatte bereits in dem letzten JAMES BOND 007 – KEINE ZEIT ZU STERBEN und dem Netflix-Film THE GREY MAN ihre physikalische Fähigkeit bewiesen. Doch eine Frau in diese vermeintliche Männerwelt einzuführen, barg ein hohes Risiko.
Mag die Story auch altbekannt und vorhersehbar sein – BALLERINA punktet durch authentische, rohe Action. Ana de Armas wirkt nie wie eine übermenschliche Kampfmaschine, sondern kämpft als körperlich unterlegene Kriegerin ums nackte Überleben. Das erzeugt kreative Genialität: Eve verwandelt ihre Schwächen in tödliche Waffen und macht jede Umgebung zu ihrem Schlachtfeld. Schlittschuhe mutieren zu Mordinstrumenten, der Kampf gegen einen Flammenwerfer wird zur visuellen Ekstase. Einer der Höhepunkte ist der Kampf in einer Dorfküche – ein Ballett aus Blut und Stahl, pure Action-Poesie in ihrer brutalsten Form.
Fazit: BALLERINA wollte ursprünglich beweisen, dass das John Wick-Universum auch ohne seinen Titelhelden funktioniert – doch am Ende siegte die Vorsicht und Keanu Reeves kehrte doch wieder vor die Kamera zurück. Das Ergebnis: Authentische Kampfszenen, solide Choreografien und eine überzeugende Ana de Armas, die ihre Rolle mit Bravour meistert. Bei 125 Minuten Laufzeit hätte jedoch deutlich gestrafft werden können. Der Film kann durchaus unterhalten, ohne dabei jedoch neue Maßstäbe zu setzen, und bleibt letzten Endes eher Mittelmaß, das sich im hinteren Teil der Franchise-Riege einreiht.

Bilder und Trailer: © LEONINE Distribution GmbH
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