Nach dem ersten "Classic Toast", unserer Kritik zu DIE ÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN, kommt hier die erste aktuelle Kritik. Viel Spaß beim Lesen! Inhalt: Der begnadete Pianist Dr. Don Shirley (Mahershala Ali) geht 1962 auf eine Konzerttournee von New York bis in die Südstaaten. Sein Fahrer ist der Italo-Amerikaner Tony Lip (Viggo Mortensen), ein einfacher Mann aus der Arbeiterklasse, der seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsjobs und als Türsteher verdient. Der Gegensatz zwischen den beiden könnte nicht größer sein. Dennoch entwickelt sich eine enge Freundschaft. Gemeinsam erleben sie eine Zeit, die von wahrer Menschlichkeit, aber auch Gewalt und Rassentrennung geprägt ist. So müssen sie ihre Reise nach dem "Negro Motorist Green Book" planen, einem Reiseführer für afroamerikanische Autofahrer, der die wenigen Unterkünfte und Restaurants auflistet, die auch schwarze Gäste bedienen. Kritik: Victor Hugo Green, ein Postbote aus New York, fuhr mit seinem Auto durch die USA und erstellte ein für Afroamerikaner unverzichtbares Reiseutensil: den "The Negro Motorist Green Book". Einen Reiseführer, der von 1936 bis 1966 jährlich neu veröffentlicht wurde und Restaurants und Hotels auflistete, in denen schwarze Kunden willkommen waren. Schikane, Festnahmen und Gewalt gegenüber Afroamerikanern standen zu dieser Zeit auf der Tagesordnung und erst nachdem Präsident Lyndon B. Johnson im Jahr 1964 den Civil Rights Act initiierte, wurden die Jim-Crow-Gesetze illegal und damit auch die Rassentrennung in allen zivilen Bereichen der USA abgeschafft.
Der Guide ist Namensgeber und Aufmacher zugleich für ein Roadmovie und Feelgood-Film. Der wahre Hintergrund beschert uns eine eindrucksvolle Reise in unruhigen Zeiten. Wir folgen dem begnadeten Pianisten Dr. Don Shirley, gespielt von Mahershala Ali, wie er sich im Jahre 1962 mit seinem Fahrer, dem Italo-Amerikaner Tony Vallelonga, verkörpert durch Viggo Mortensen, zu einer Konzerttournee von New York bis in die Südstaaten aufmacht. Das Leinwand-Duo und der Gegensatz zwischen den beiden könnte nicht größer sein. Auf der einen Seite steht der schwarze Musiker. Seine musikalische Brillanz bescherte ihm zwar Anerkennung aus der ganzen Welt, sogleich wirkt er aber wie ein einsamer armer Mann, der sich nirgendwo wirklich zugehörig fühlt. Auf der anderen Seite steht ein weißer Mann aus der Arbeiterklasse, der mit Gelegenheitsjobs und als Türsteher seinen Unterhalt verdient. Der Italo-Amerikaner wird als Fahrer engagiert und beide müssen Höhen und Tiefen durchleben, damit am Ende eine wundervolle Freundschaft entstehen kann. Zunächst sind beide wie verfeindet, brauchen aber zwingend einander. Der Musiker braucht den Türsteher, der ungehobelte Klotz den piekfeinen Gentleman mit Manieren und gepflegter Aussprache. Die Zeit und der herrschende Rassismus katapultiert beide in Situationen, die der anfänglich durch den gängigen Rassismus angehauchte Fahrer entschärfen muss.
"Damit sich etwas ändert, braucht es mehr als Genie. Es braucht Courage."
Gerade in der heutigen Zeit trifft "Green Book" einen Nerv vom "American Way of life", in dem Einwanderer wieder Zielscheibe zahlreicher Herabwürdigungen werden. Man darf sich also getrost fragen, was hat sich Jahrzehnte später überhaupt alles getan oder fällt man gerade wieder Jahre zurück? Und das nicht nur in Amerika! Funktioniert der Film von "Verrückt nach Mary"-Regisseur Peter Farelly überhaupt komödiantisch - trotz ernstem Hintergrund? Man kann getrost sagen ja, aber auch nur aufgrund der stark abgemilderten Rassismusthematik. Die Härte, denen Afroamerikaner ausgesetzt waren, kann man in aneinander gereihten Szenen nur erahnen.
Schließlich geht es in "Green Book" nicht nur um schwarz oder weiß, sondern vielmehr um persönliche Weiterentwicklung und Veränderungen im eigenen Weltbild, um Freundschaft und das Wort Courage fällt dann im entscheidenden Satz des Films. Aus nichtkompatiblen ungleichen Persönlichkeiten werden zwei unfassbar sympathische Figuren, die man einfach lieben muss und das ist nicht zuletzt den fantastischen Schauspielern zuzuschreiben. Mahershala Ali hat als bester Nebendarsteller den Oscar für "Moonlight (2016) erhalten. Verkörperte eine Rolle in der Netflix-Serie "Luke Cage" und ist momentan in der neuen Staffel von "True Detective" zu sehen. Viggo Mortensen ist dafür bekannt, seine wenigen Rollen mit Bedacht zu wählen. Zuletzt wurde er als bester Hauptdarsteller für seine Performance in "Captain Fantastic: Einmal Wildnis und zurück" (2017) für einen Oscar nominiert. Beide zusammen agieren einfach herrlich. Auch wenn man die meisten Lacher bereits aus Trailer und Vorschau kannte, schafft es Farrelly nach wie vor durch das richtige Timing die Pointen auf den Punkt zu bringen.
Fazit:
"Green Book" wird nicht erst spätestens nach den drei Preisen bei den Golden Globes die Award-Season mitbestimmen … und das zu Recht. Trivia & Fun-Facts: - Viggo Mortensen spielt Tony Lip, der den Carmine Lupertazzi in DIE SOPRANOS (1999) verkörperte und der verschiedene Rollen in Filmen von Martin Scorsese annahm
- Der Film wurde "Larry the Crow" gewidmet, einem Vogel der am Drehort herumhing. Viggo Mortensen kümmerte sich um das Tier, nachdem es von einem Auto angefahren wurde
- Dies ist Peter Farrellys erstes Drama nach unzähligen Komödien. Mahershala Ali bezeichnetet ihn als "first-time filmmaker" mit 25 Jahren Erfahrung
Bilder und Trailer: © Entertainment One Germany GmbH
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