top of page
  • AutorenbildHaiko

Chemieunfall, Todesangst und Ehekrach in WEISSES RAUSCHEN



Wenn der oscarnominierte Regisseur Noah Baumbach sagt, er wollte einen Film machen, der so verrückt ist, wie sich die Welt gerade für ihn anfühlt, dann ist das ein Kerngedanke, der absolut auf sein neuestes Werk passt: WEISSES RAUSCHEN. Basierend auf dem gleichnamigen Buch des US-amerikanischen Schriftstellers Don DeLillo aus dem Jahre 1985 ist dies Baumbachs allererste Adaption als Autor und Regisseur nach einer Karriere, die auf Originalwerken aufbaut. Er erzählt die Geschichte des Ehepaares Gladney, Jack und Babette und ihren vier Kindern. Als Oberhaupt der Patchworfkamilie unterrichtet Jack als Professor für Geschichte seine Studenten zum Thema Hitler. Dafür versucht er gerade die deutsche Sprache zu lernen. Seine Frau Babette hat ein kleines Geheimnis. Obwohl es von beiden der x-te Versuch einer Ehe ist, haben sie sich aneinander gewöhnt und das fortschreitende Alter lässt sie zunehmend paranoid werden. Sie diskutieren darüber, für wen es schwieriger wäre, wenn der jeweils andere zuerst sterben würde. Als ein Öllaster einen Güterzug mit Chemikalien entgleisen lässt, kommt es zu einem Chemieunfall. Eine dünne Wolke breitet sich aus. Die nahegelegene Stadt soll evakuiert werden. Es entsteht eine Panik. Jack ist beim Tanken höchstwahrscheinlich der Wolke und dem Gift ausgesetzt gewesen und macht sich immer mehr Sorgen um seine Gesundheit. Aber nicht nur das bereitet ihm Kopfschmerzen, auch die Heimlichkeiten seiner Frau avancieren zu immer größeren Schwierigkeiten. Er konfrontiert sie.

Bilder: © Netflix

Die Geschichte spielt in Amerika in einer Zeit, in der eigentlich Ängste des Kalten Krieges wieder etwas verschwanden, aber plötzlich das Gefühl des nahenden Untergangs wieder in aller Munde ist. Wie schon in seiner letzten Regiearbeit MARRIAGE STORY rückt Baumbach ein Ehepaar in den Mittelpunkt des Geschehens. In MARRIAGE STORY war Hauptdarsteller Adam Driver noch mit Scarlett Johansson verheiratet, in WEISSES RAUSCHEN mimt er den Mann an der Seite von Greta Gerwig, die im wahren Leben mit Baumbach verheiratet ist und schon vier Mal mit ihm zusammenarbeitete. Die Gladneys werden vom Leben überwältigt in einem zutiefst menschlichen und realistischen Akt des Verrates und Betruges. Sie leben ein Dasein voller Kompromisse, was den Film erdet und sehr realistisch erscheinen lässt. Auch wenn der Chemieunfall und die sich daraus resultierende Wolke etwas herausstechen, ganz abwegig sind die Beklemmungen einer möglichen Pandemie wohl kaum.

Der Tod ist hier allgegenwärtig und es geht um das Leben in gefährlichen Zeiten, was das Buch auch knapp vierzig Jahre nach Erscheinen noch aktuell erscheinen lässt. Laut Baumbach besteht der einzige Weg, sein Leben zu leben, darin, zu wissen, dass es enden wird. Sein Film-Ehepaar entwickelt Strategien und Routinen, um diese scheinbar undenkbare Idee praktikabel erscheinen zu lassen. Der dunklen Wolke steht der meist farbenfrohe Supermarkt gegenüber, der immer wieder auftaucht. In drei Akten aufgeteilt sieht man im ersten wieviel Mühe es macht, einzukaufen, die Kinder zur Schule zu bringen, einfach allgemein ein guter Partner zu sein. Die Familie wird von Informationen aus dem Fernseher und dem Radio berieselt. Im zweiten Akt kommt es zur Katastrophe und die Konfrontation mit den Auswirkungen der Wolke und im dritten Teil muss sich das Ehepaar ihren Geheimnissen und Lügen stellen. Es kommt schließlich zum Showdown mit einer mysteriösen Figur. Fazit: Zwar nicht Baumbachs ganz großer Wurf, aber hier werden köstlich die verschiedensten Genres vermischt. In seinem Film jongliert Baumbach mit Themen wie Menschlichkeit, Todesangst oder Furcht, aber auch der Konsum, Medikamente, Religion oder Krieg verpackt er in dramatischen und komödiantischen Momenten. Adam Driver beweist hier einmal mehr, dass er sich außerordentlich gut in die verschiedensten Figuren hineinversetzen kann. Greta Gerwig ist schon lange kein Geheimtipp mehr und unvermittelt taucht hier dann auch noch Lars Eidinger auf.


20 Ansichten2 Kommentare
bottom of page