
Während einer Lesung zu seinem neuen Buch TRANSATLANTIK traf ich den Autor Volker Kutscher in der Schmargendorfer Buchhandlung in Berlin. Auf dem Hardcover steht unter dem Titel der Zusatz „Der neunte Rath-Roman“, was die Sache gut trifft. Denn Gereon Rath wurde - wie aus dem letztem Fall OLYMPIA bekannt – angeschossen und ist wie vom Erdboden verschluckt. Kutscher zufolge spielt Gereon hier allenfalls die zweite Geige. Die Familie Rath wurde auseinandergesprengt. Gereon ist untergetaucht und Charlotte rückt in den Vordergrund. Ein Toter wird in den Kantgaragen gefunden und schnell stellt sich heraus, dass es sich hierbei um keinen natürlichen Tod handelt. Charlotte, die nicht mehr bei der Kriminalpolizei tätig ist, sondern als Privatdetektivin ermittelt, wird in den Fall verwickelt. Zudem ist ihre beste Freundin Greta Overbeck spurlos verschwunden. Auch privat ist bei Charlotte einiges los. Ihr Pflegesohn Fritze wurde aufgrund der Ereignisse des letzten Falls in die Heilanstalt Wittenau eingewiesen und sie versucht ihn gerichtlich freizubekommen.

Kutscher zieht die Spannungsschraube weiter an. Verlagert die Geschehnisse auch in die USA nach New York. Ein Handlungsstrang spielt in Brooklyn und führt altbekannte Figuren aus den Vorromanen wieder zu Tage. Dabei trifft Kutscher die Zeit wie immer genau. Fritze wird als Straßenkind unbekannter Herkunft verurteilt, es wird rassistisch argumentiert. Und der Ton der Zeit spitzt sich zu. Die Hakenkreuzarmbinden sind überall. Fast jeder ist ein Nazi und Charlotte weiß nicht mehr so recht, wem sie sich anvertrauen kann. Die Zeiten werden immer schwieriger. Kutscher hat wie immer ein Gespür für die Zeit, in der noch das Parken am Straßenrand verboten war und an vielen Orten diese Parkgaragen entstanden. Genau in einer solchen passierte nun der aktuelle Mord.

Nach dem Kutscher einige Passagen aus dem neuen Buch vorgelesen hat, erzählte er zur Vorgehensweise seiner Arbeit. Um Brooklyn und New York richtig treffen zu können, reiste er nicht extra in die USA, sondern verließ sich da ganz auf sein Gedächtnis. Ansonsten arbeitet er viel mit Bildern, an denen er sich orientiert. Natürlich fragten sich alle, wie viele Fälle noch in Planung sind. Die folgende Aussage enttäuschte alle etwas. Es wird genau noch einen richtigen Rath-Roman geben. Dieser wird 1938 spielen und um die Ereignisse der Novemberprogrome handeln. Und da lässt der Autor nicht mehr mit sich verhandeln, wie er konkret sagte. Dann ist Schluss. Dafür nimmt er sich - wie fast bei allen Teilen - zwei Jahre Zeit. „Mal sehen, wer überlebt“, sagt er. „Aber alle Überlebenden trifft ein gemeinsames Schicksal. Sie werden in das Jahr 1939 entlassen“ und damit spielt er auf die folgenden verheerenden Ereignisse - die komplette Übernahme der Nazis und den Holocaust - an.
Ich hätte es [die TV-Serie] eher dezenter erzählt wie DIE SOPRANOS oder THE WIRE. Eher ruhig, ohne Knalleffekte.
Die Frage, ob er denn mit den TV-Adaptionen zufrieden sei, beantwortete er mit einem klaren „jein“. Sie hätten schon massiv viel geändert und das hätte er sich alles anders vorgestellt. Er freut sich über jede gute Änderung und ärgert sich über jede schlechte. Im Allgemeinen findet er es schade, dass die TV-Adaption so viel Aufmerksamkeit bekommt, weil er zum Beispiel die Graphic Novelle von Arne Jysch auch sehr herausragend findet oder die gut gemachten Hörspiele empfehlen kann. Den Verkaufszahlen seiner Bücher schadet die Beliebtheit der Serie jedenfalls nicht. „Ich hätte es eher dezenter erzählt wie DIE SOPRANOS oder THE WIRE“, erzählt Kutscher. „Eher ruhig, ohne Knalleffekte.“ Ob man sich die Bücher auch noch nach dem Schauen der TV-Serie zu Gemüte führen kann, beantwortete er lächelnd mit einem klaren ja: „Weil die Serie ja nicht so viel aus dem Roman verrät“. Eine Anspielung auf die eher freie Übernahme seiner Figuren, die durchaus massiv abweichen. Bei der Figur der Greta Overbeck wurde eigentlich nur der Name übernommen, denn im Roman ist sie durchaus weltgewannt, international unterwegs und in der TV-Serie arm. Die Bücher sollte man aber von Beginn an lesen, da sie chronologisch aufbauen. Immerhin soll nach MOABIT und MITTE noch ein dritter Roman mit dem Titel eines Berliner Bezirkes erscheinen, der im Rath-Universum spielt. Somit stehen uns noch zwei Bücher bevor… und bei dem Fernseherfolg sicherlich noch weitere Staffeln der TV-Serie.

Persönlich verriet mir Kutscher, dass er bei Büchern die Hardcover-Variante bevorzugt und mit den eBook-Readern nichts anfangen kann. Zurzeit liest er DIE ANOMALIE von Hervé Le Tellier, indem eine Boeing 787 auf dem Weg von Paris nach New York durch einen elektromagnetischen Wirbelsturm fliegt. Die Turbulenzen sind heftig, doch die Landung glückt. Allerdings landet kurz darauf dieselbe Boeing mit denselben Passagieren ein zweites Mal in New York. Klingt spannend. Aber durch die Promotiontour seines neuen Buches kommt er nicht viel zum Lesen. Höchstens im Zug. Gut, dass ihm dann wohl auch nicht viel Zeit bleibt für die vierte Staffel, die gerade auf Sky läuft. Ich bin gespannt auf die letzten beiden Romane aus dem Rath-Universum und auf das, was danach folgt vom Autor Volker Kutscher.

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