Ein Denkmal für die rücksichtslosen Auswirkungen einer Chemikalie, der man nicht verfallen darf. Hautnah, intensiv, sehenswert. Ein leidenschaftlich starkes Plädoyer eines ehemaligen Abhängigen mit einer Warnung vor dem geistigen und körperlichen Verfall. Inhalt:
Eric Stehfest (Jannik Schümann) ist 14, als er seinen ersten Crystal-Meth-Rausch hat. er wächst bei seiner Mutter Liane (Heike Makatsch) und ihrem Freund Tilo (Benno Fürmann) in einer sächsischen Kleinstadt auf. Nächtelang feiert Eric in Electro-Clubs. Er klaut. Er prügelt sich. Mindestens einmal im Jahr steht er vor Gericht - bis er Anja (Peri Baumeister) trifft. Für sie will er clean werden. Die beiden gehen zusammen nach Berlin. Dort beginnt Eric Schauspiel zu studieren, und scheint sein Leben in den Griff zu kriegen. Doch dann bricht Anja sein Herz … Kritik:
9 TAGE WACH klingt zunächst verlockend. Wer hat sich im Urlaub nicht schon einmal gewünscht länger wach bleiben zu können, um keinen der schönen Eindrücke zu verpassen? Oder im Job noch mehr persönliche Ressourcen zu haben wie mehr Arme oder Zeit? Wer fragte sich nicht schon einmal als Familienoberhaupt, warum der Tag nur 24 Stunden hat und nicht mehr, um jedem gerecht werden zu können? Doch 9 TAGE WACH ist alles anders als positiv, erzählt in einem Zeittunnel von Zerstörung und Wiederauferstehung einen Teil von Eric Stehfests Leben, einem sehr dunklen. Es ist die Verfilmung von Eric Stehfests Bestseller, der sich seit 2017 über 200.000 Mal verkaufte, in dem er berichtet, wie Christin - seine "Schwester" - seine ständige Begleiterin über zehn Jahre sein Leben bestimmte. Mit Christin ist Crystal Meth gemeint, die Droge, die ihm einmal einen Rausch über neun Tage verpasste und ihm fast das Leben kostete. Einst dichtete Johann Wolfgang von Goethe schwermütig in "Christel":
"Hab oft ’nen dumpfen düstern Sinn,
Ein gar so schweres Blut!
Wenn ich bei meiner Christel bin,
Ist alles wieder gut."
Im übertragenen Sinne ist für Eric, wenn er bei seiner Christin ist, auch alles wieder gut. Keine Macht ohne Drogen, heisst es für ihn. Wenn Eric als Meth-Junkie zu seiner Droge greift, fühlt er sich "wie Jesus und der Terminator gleichzeitig." Aber rollen wir alles von vorne auf. 2017 gab es die Drogenbeichte und das zusammen mit Michael J. Stephan verfasste Buch "9 Tage wach", dass einst wie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" zugleich faszinierte wie verstörte. ProSieben hat sich nun als "Blockbuster made by ProSieben" an eine Eigenproduktion im non-fictional - Bereich gewagt und mit Heike Makatsch, Benno Fürmann und Martin Brambach Charakterdarsteller für das Projekt gewinnen können. Allen voran aber taucht Jannik Schümann als Eric Stehfest in die Drogenwelt ein und liefert einen Einblick über den sozialen Absturz und körperlichen Verfall, den der Drogenkonsum mit sich brachte. Sein Arzt zu Stehfest: "Nur einer von zehn schafft es."
Eric wächst zunächst bei seiner Mutter Liane und seinem Stiefvater Tilo auf. Er kümmernd sich rührend um seine kleine Schwester, zu Drogen hat er dennoch früh gegriffen. Denn die gelebte Behutsamkeit ist nicht seine. Das stellt er aber erst Jahre später fest. Lange hat er auf diesen Moment gewartet, doch nun ist die erlösende Antwort ins Haus geflattert: Eric Stehfest wurde zur Schauspielschule in Berlin zugelassen. Seine Mutter freut sich mit ihm. Weniger Verständnis bringt Tilo für seine ständigen Eskapaden auf. Mit seiner Freundin Anja bezieht er in Berlin eine Wohnung. Er geniesst die Zweisamkeit und die Intimität mit ihr. Die Euphorie des neuen Lebensabschnittes wird immer wieder gedämpft. Anfängliche Rückschläge in der Ausbildung beschäftigen ihn genauso wie die Haltung seines Stiefvaters ihm gegenüber, der nie verheimlicht der Meinung zu sein, dass Eric nicht richtig erzogen wurde. Anja fühlt sich des Öfteren unverstanden. Als er in der Schauspielschule etwas Fuß fassen kann, ist er sogar einige Wochen clean. Dann offenbart ihm Anja, dass sie schwanger ist und das Glück scheint greifbar nah. Doch dann wird die Beziehung immer komplizierter als er sich nicht mehr sicher ist, ob er wirklich der Vater des Kindes ist. Sein Niedergang bereitet sich vor, indem er wieder zur Droge greift. Der Drogenrausch gipfelt in den titelgebenden neun wachen Tagen, die Eric Stehfests Leben für immer verändern werden.
Erzählt wird eine bewegende Geschichte, die leider kein Einzelfall in Deutschland ist. Getragen wird der von Damian John Harper (FIRST STEPS-Gewinner 2014)stilistisch stylish gedrehte Film vom Hauptdarsteller Jannik Schümann, der hier scheinbar in jungen Jahren zur Hochform aufläuft und definitiv die bislang beste Performance seiner jungen Karriere abliefert. Seinen Leidensweg - den Schmerz, die innerliche Unruhe, das schwere Zerwürfnis zwischen ihm und seiner Freundin - das alles stellt Jannik Schümann so echt dar, dass der Zuschauer in die einzelnen Phasen seines Untergangs mit ihm eintauchen kann. Heike Makatsch glänzt als fürsorgliche Mutter, die ihm zu unterstützen versucht wo es nur geht. Benno Fürmann bleibt als Stiefvater etwas im Hintergrund. Er mag es nicht, dass Eric sein Familienlieben mit seinen Aussetzern durcheinander wirbelt. Abgerundet wird die gute schauspielerische Leistung von Erics Schauspielmentor Karl, der von Martin Brambach verkörpert wird.
9 TAGE WACH erinnert an "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, in dem Christiane Felscherinow von ihrem Leben berichtet. Damals zog sie als Sechsjährige mit ihrer Familie von Hamburg nach Berlin, wurde als Teenager heroinabhängig und prostituierte sich. Aus einer Serie für den "Stern" wurde ein autobiografisches Buch und schließlich ein Welterfolg. Also Ähnlichkeiten sind da, auch wenn die Droge eine andere war. Ähnlich wie Christiane F. wurde Eric Stehfest zu einem Antihelden und Vorbild für andere.
Fazit:
9 TAGE WACH wirkt wie ein Mahnmal, ein Denkmal für die rücksichtslosen Auswirkungen einer Chemikalie, der man nicht verfallen darf. Hautnah, intensiv, sehenswert. Ein leidenschaftlich starkes Plädoyer eines ehemaligen Abhängigen mit einer Warnung vor dem geistigen und körperlichen Verfall und - was wichtig ist - einem positiven Ende: Er hat es geschafft clean zu werden und zu bleiben.
"Keine Macht den Drogen" betreibt seit 30 Jahren Suchtprävention für Kinder und Jugendliche und bietet unter www.kmdd.de Informationen an. Trivia & Fun-Facts: - Der Film basiert auf dem gleichnamigen Bestseller, in dem Eric Stehfest sein Leben in der Crystal-Meth-Hölle verarbeitet. Die verkaufte Auflage des Buches liegt bei über 200.000 Exemplaren.
- Neun Tage dauerte Eric Stehfests längster Crystal-Meth-Rausch, an dem er fast gestorben wäre.
- Crystal Meth steht für Methamphetamin und hat viele Namen: Als Pervitin wurde die Droge im Zweiten Weltkrieg Soldaten verabreicht - so auch Eric Stehfests Großvater. Auf dem Schwarzmarkt wird es auch als Piko oder Ice bezeichnet.
- "9 tage wach" gilt als das "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" der heutigen Zeit
Bilder und Trailer: © 2016 ProSiebenSat.1 Media SE
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