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Michael Bays actionreiche Verfolgungsjagd durch LA | Unsere Kritik zu AMBULANCE | Filmtick.de

Michael Bay kehrt nach seinem Ausflug mit 6 UNDERGROUND bei Netflix zurück ins Kino. Versprochen sind halsbrecherische Stunts, zerstörte Autos, lange Schießereien und gewaltige Explosionen. Lest hier, ob sich der Film im Kino lohnt. Viel Spaß!

AMBULANCE - Ab Donnerstag überall im Kino.

Kritik:
Die primäre Frage bei einem neuen Michael Bay - Film lautet wohl: Wie viel Action steckt in ihm? Immerhin las sich die Synopsis vorab nicht wie ein weiterer Kampf zwischen den Autobots und den Decepticons oder wie ein Angriff auf das Hauptquartier der Pazifikflotte der United States Navy. Sein neuester Actionstreifen basiert auf dem dänischen Film AMBULANCEN von Laurits Munch-Petersen und Lars Andreas Pedersen, indem zwei Bankräuber einen Krankenwagen mit einem Herzinfarktpatienten entführen. Übernommen haben Michael Bay und Drehbuchautor Chris Fedak, der die NBC-Serie CHUCK mitentwickelte, das Grundkonzept und dieses haben sie für die Zuschauer in zwei nervenaufreibende Stunden gepackt. Sie erzählen die Geschichte eines missratenen Banküberfalls, der mit einer Geiselnahme endet und der weitere Film sich zu einer explosiven Hetz- und Verfolgungsjagd durch die Straßen von Los Angeles entwickelt.

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Michael Bay war während des Pandemie-Lockdowns auf der Suche nach einem Film, den er mit seiner Crew schnell in Los Angeles realisieren konnte. Als die Produzenten des Films davon erfuhren, konnten sie ihn schnell vom Projekt überzeugen und als er an Bord war, war der ambitionierte Plan, den Film 
in nur 39 Tagen zu drehen.

Wie schon so oft bei Michael Bay steht die Freundschaft zweier Männer im Vordergrund. Sei es Will Smith und Martin Lawrence in den BAD BOYS - Teilen oder Josh Hartnett und Ben Affleck in PEARL HARBOR. Hier ist es die von Will und Danny. Will - gespielt von Yahia Abdul-Mateen II - hochdekorierter Kriegsveteran, braucht unbedingt Hilfe. Seine krebskranke Frau benötigt eine experimentelle Operation, die 230.000 Dollar kostet. Also wendet er sich an seinen Bruder Danny und bittet um Hilfe oder einen kleinen Job, denn beide verbindet eine Vergangenheit, von der Will eigentlich dachte, sie hinter sich gelassen zu haben. Beide hatten damals gemeinsame, glückliche Kindheitstage. Seit dem Dannys Vater Will als Adoptivkind in die Familie geholt hat, kümmert sich Danny um seinen kleinen Bruder. Er steckt mitten in den Vorbereitungen zu seinem nächsten kriminellen Coup, einem Banküberfall, seinen 38. Banküberfall. Da kommt ihm die Bitte seines kleinen Bruders gerade recht, denn Danny konnte sich auf seinen Bruder bei solchen Aktionen schon immer verlassen und er benötigt noch einen weiteren Mann für den größten Banküberfall in der Geschichte von Los Angeles. Es winken 32 Millionen US-Dollar. Schweren Herzens willigt Will ein und die Tragödie nimmt ihren Lauf.

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Michael Bay steht für knallharte Action und auch wenn er diesen Film versucht nuancierter anzulegen, kommt dabei - wie soll es auch anders sein - ein weiterer Actionkracher raus. Nun man könnte ihm die Einführung der Charakteren zugutehalten, den Konflikt, dem Will ausgesetzt ist, der ihn förmlich innerlich zerreißt, als tiefgründig einstufen. Solche Charaktere mit militärischem Hintergrund begegnen einem immer wieder in seinen Filmen. Wie General Francis X. Hummel aus THE ROCK - FELS DER ENTSCHEIDUNG, ebenfalls hochdekorierter Kriegsveteran, dem die Apathie seiner Regierung und der Druck seiner hohen Ideale zu drastischen Mitteln greifen lassen, war auch einst loyaler Staatsdiener, ebenfalls innerlich zerrissen. 

AMBULANCE ist keine intime Geschichte zweier Brüder, sondern dröhnendes Actionkino. Bay liefert uns zwar mal untypisch die wohl langsamste Verfolgungsjagd der Filmgeschichte mit lediglich 20 Stundenkilometern, doch ansonsten ist der Film laut, vollgepackt mit Heldentum, die Kamera ist immer in Bewegung, das Design immer dynamisch. Gefundenes Fressen für Bay-Hasser auf der einen und genau das, was seine Fans sich wünschen, auf der anderen Seite. Er liefert uns genug Szenen, in denen man denkt: Was zum Teufel…? Einer der bewaffneten Bankräuber trägt Birkenstock-Schuhe, Banditen, die mit einer älteren Dame im Fahrstuhl stecken, den sie mit ihrem Gehstock aufhielt, ein Polizist, der den liegengebliebenen Fluchtwagen repariert. Den Preis für die fragwürdigste Szene geht allerdings an Eiza González, die als Sanitäterin Cam Thompson im fahrenden Krankenwagen eine Operation durchführt. Egal. Humor ist immer da. Sei es das Danny einen seiner Männer mit Mel Gibson aus BRAVEHEART vergleicht oder die Anspielungen auf Bays eigene Filme wie THE ROCK oder BAD BOYS - HARTE JUNGS. Was Michael Bay schafft, ist zu unterhalten. Und das ist der Film: pure Unterhaltung. Den ganzen Film über versucht einem der Drehbuchautor die Frage aufzudrücken, ist einer der Brüder nun der gute oder der böse Junge oder verhält es sich doch ganz anders. Aber darum geht es gar nicht. Es geht um den besten Stunt, die noch schnellere Kamerafahrt, Action, die einem den Adrenalinspiegel erhöhen lassen, als wäre man mit im Inneren des Krankenwagens. Und das schafft er perfekt. Enden tut alles in einem Blutbad, zwischendurch gibt es wohl die beste Straßen-Schießerei seit HEAT. Bay versucht seiner eh schon vitalen Erzählweise energiegeladen noch eins drauf zusetzen. Gefühlt fliegen die Kameras hier durch die Actionsequenzen. Der Score von seinem 6 UNDERGROUND - Komponisten Lorne Balfe tut heroisch und pathetisch sein Übriges dazu bei.

Fazit:
AMBULANCE ist kraftvoll und rasant, erinnert beim Erzähltempo an SPEED und UNSTOPPABLE - AUSSER KONTROLLE. Der Schnitt des Films lässt keine Zeit zum Luftholen. Sicherlich kein Arthouse-Film, aber wer das erwartet hat, ist eh im falschen Kinosaal. Die Story bleibt eher nebensächlich. Wer aber pure Action sehen will, Explosionen, Schießereien, eine sportliche Verfolgungsjagd, Autos, die durch die Luft fliegen… wer sich einfach unterhalten lassen will, ist hier genau richtig.


 


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Bild: © Universal Pictures International Germany GmbH |  | Bettina Ausserhofer
Chris Rock ermittelt im blutigen SAW - Franchise | Unsere Kritik zu SAW: SPIRAL | Filmtick.de

Chris Rock versucht mit SAW: SPIRAL als Ideengeber, Hauptdarsteller und ausführender Produzent das Horror-Genre aufzumischen. Ob ihm das gelungen ist, erfahrt Ihr in unserer Kritik zum neuesten Kapital aus dem SAW - Universum:

SAW: SPIRAL - Kritik

Viel Spaß beim Lesen!

Zum Inhalt:
SAW: SPIRAL eröffnet ein neues, perfides Kapitel der „Saw“-Saga, in dem ein kaltblütiger Serienmörder auf bestialische Weise für seine ganz eigene Form von Gerechtigkeit sorgt. Der abgebrühte Detective Ezekiel „Zeke“ Banks (Chris Rock) und sein noch unerfahrener Partner William Schenk (Max Minghella) untersuchen eine Anzahl abscheulicher Morde, die auf unheimliche Weise an die grausame Vergangenheit der Stadt erinnern. Unterstützt werden die beiden Detectives von Marcus Banks (Samuel L. Jackson), einem angesehenen Polizeiveteranen und Vater von Zeke. Ohne es zu ahnen, wird Zeke immer tiefer in das mörderische Geheimnis hineingezogen und findet sich plötzlich im Zentrum des morbiden Spiels eines bestialischen Killers wieder.

Kritik:
Das SAW - Franchise geht in eine neue, mittlerweile nun schon neunte Runde und hat sich selbst auf die Fahne geschrieben, weniger den nächsten SAW - Film heraus bringen zu wollen, sondern einen Neustart zu kreieren, der eine andere Richtung einschlägt. Dafür steht 17 Jahre nach dem ersten Teil Stand-Up- und Film-Comedian Chris Rock, der - was wahrscheinlich einige noch nicht wussten - begeisterter Horror-Fan ist und laut Regisseur ein enzyklopädisches "Saw"-Wissen aufzuweisen hat. Die Filmemacher konnten ihn nicht nur als Hauptdarsteller, sondern auch als ausführenden Produzenten für das neue Kapitel - SAW: SPIRAL - gewinnen. Alles fing auf einer Hochzeit an, als der stellvertretende Vorsitzende der Produktionsfirma Lionsgate, Michael Burns, neben Chris Rock platziert wurde, der sich zu ihm rüber beugte und ihm von seiner SAW - Idee berichtete.



Chris Rock spielt in SAW: SPIRAL Ezekiel „Zeke“ Banks, einen Detektive der South Metro Police Devision, der die Serienkiller-Fälle seiner Stadt zwar kennt, sie aber für eine längst entfernte Vergangenheit hält, bis er eines Tages eine bizarre Mordreihe aufzuklären hat, die auf unheimlicher Weise an Jigsaws berüchtigtsten Fälle erinnert. Rock versucht hier seine Bandbreite auszuschöpfen, marschiert auf Thriller-Terrain mit psychologischen Aspekten, sorgt aber dennoch sporadisch für den einen oder anderen Lacher. Seine Figur fiel bei den anderen Polizisten in Ungnade, weil er vor Jahren einen korrupten Kollegen bei der Abteilung für interne Angelegenheiten angezeigt hat. Sein Vater war zu Dienstzeiten ein angesehener Polizeichef. Banks trägt also eine besonders große Last auf seinen Schultern. Auf der einen Seite musste er immer alles geben, weil er das Gefühl hatte, seinem Vater etwas beweisen zu müssen. Auf der anderen muss er die Cops, die sich von ihm abwandten, wieder auf seine Seite bekommen, denn nur mit der Unterstützung des gesamten Departments, kann er den neuen Killer erst richtig jagen.



Für die Rolle des Vaters und pensionierten Polizeichefs Marcus Banks konnten die Filmemacher keinen geringeren als den legendären Samuel L. Jackson gewinnen. In der ersten gemeinsamen Szene zwischen Vater und Sohn wird schnell sichtbar, dass Jackson nicht nur eine komplexe Figur verkörpert, sondern das beide Filmfiguren auch immense Probleme in ihrer Beziehung zu einander haben und zwischen ihnen eine riesige schmerzliche Kluft herrscht. 



Mit von der Partie ist Max Minghella, der bestens begannt aus der Serie THE HANDMAIDS TALE: DER REPORT DER MAGD sein dürfte. Er bedient mit seiner Figur des Detektive William Schenk das Buddy-Cop-Element, denn er wird Zecke Banks bei dem Fall zur Seite gestellt. Gegensätzlicher könnten die beiden nicht sein. Der eine: erfahren und lange dabei, der andere: kommt frisch von der Akademie. Und dennoch finden beide schnell einen Weg der Zusammenarbeit.



Um eine innovative Abwandlung des bestehenden Konzepts mit den typischen SAW-Elementen paaren zu können, setzte man auf die Rückkehr von Regisseur  Darren Lynn Bousman, der schon Bei SAW IISAW III und SAW IV auf dem Regiestuhl saß. Bei seinem ersten SAW-Film war Bousman Mitte Zwanzig. Man sieht dem Projekt an, dass er reifer geworden ist, obwohl der angeblichen neuen Richtung ein komplett frischer Wind eines unvoreingenommenen Regisseur gut getan hätte. 


Typisch für die Reihe sind natürlich die perfekt ausgeklügelten und grausamen Fallen, die Mordmaschinen, mit der der Killer seine Opfer quält. Mit der Zeit wurden diese immer komplexer und größer, weil das Publikum gerade dafür ins Kino ging. Da hier Jigsaw nicht vorkommt, mussten jedoch die Fallen anders dargestellt werden. Jigsaw war ein erfahrener Ingenieur, der diese komplizierten Maschinen bauen konnte. Hier musste also eine Abweichung her.



Einen frischen Look bekommt der Film vom 28jährigen Kameramann Jordan Oram, der mit SAW: SPIRAL seinen ersten richtigen Film realisierte, vorab durch Musikvideos von Drake bekannt wurde. Gedreht wurde digital mit einer monochromen Farbpalette, die verfaulte grüne und senfgelbe Farbtöne betonte. 


Fazit:

Bei einem weiteren Teil - egal welcher Reihe - muss natürlich alles größer, schneller, besser werden - gerade in einer Horror-Filmreihe - alles furchterregender. Natürlich ist SAW: SPIRAL düster, verstörend und die Szenen mit den fiesen Fallen extrem brutal. Der Film ist dramatisch, hat Cop-Action und eine feine Brise Humor. Das alles hier entscheidende Element ist der Abschluss-Twist. Funktioniert die Auflösung für den Zuschauer? Wurde er den ganzen Film über getäuscht? Das wird an dieser Stelle natürlich nicht aufgelöst. Der Trailer zu SAW: SPIRAL versprach eine frische Erzählweise und einen tollen Look. Unerwartet waren die kleinen Pointen, die die Spannung unterbrachen, bevor das Blut so richtig zu fließen begann. Leider schaffen selbst die tollen Schauspieler Jackson und Rock es nicht die versprochene neue Richtung einzuschlagen. Die Thriller-Elemente hätten bei dieser Kombination einfach weiter ausgearbeitet werden müssen. So bleibt SAW: SPIRAL nur eine weitere Fortsetzung in dem SAW - Universum. Sehenswert für eingefleischte Fans, jedoch hat man viel Potential verschenkt und letzten Endes nichts Neues kreiert... leider.



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Bild: © 2021 STUDIOCANAL GmbH
Michael Bays erster Action-Kracher | Unsere Kritik zu BAD BOYS - HARTE JUNGS | Filmtoast.tv

Wir fiebern gespannt den Kinostart des ersten Most Wanted - Film des Jahres 2020 am 16.01.2020 entgegen: BAD BOYS FOR LIFE. Wir wollen Euch die Wartezeit mit einem Classic Toast verkürzen und stellen Euch in einem kleinen Countdown bis zur Kritik zum dritten Teil noch einmal die beiden Vorgänger vor. Hier kommt unser Classic Toast zu BAD BOYS - HARTE JUNGS. Viel Spaß!

Inhalt:
Bei einem spektakulären Überfall auf die Asservatenkammer der Polizei von Miami, erbeutet eine Bande, unter der Führung des skrupellosen Gangsters Fouchet (Tchéky Karyo), beschlagnahmtes Heroin im Wert von 100 Millionen US-Dollar. Da die Interne Abteilung der Polizei einen Insiderjob hinter der Aktion vermutet, setzt die Behörde Allison Sinclair (Marg Helgenberger) auf den zuständigen Captain Howard (Joe Pantoliano ) an. Dieser betraut die Detectives Mike Lowrey (Will Smith) und Marcus Burnett (Martin Lawrence) mit dem Fall, da sie zuvor auch für die Beschlagnahmung der gestohlenen Drogen verantwortlich waren. Ihnen bleiben jedoch nur 72 Stunden, bevor die Interne Ermittlungsbehörde ihr Department schließt. Mike bittet seine Bekannte, die Prostituierte Max Logan (Karen Alexander), nach neureichen Kunden Ausschau zu halten. Als sie eine Einladung zu einer Party erhält, nimmt sie kurzfristig ihre Freundin Julie Mott (Téa Leoni) als Begleiterin mit. Diese muss mit ansehen, wie Max eiskalt von Fouchet erschossen wird. Ihr gelingt gerade noch die Flucht vor den Gangstern. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich telefonisch an Mike, der jedoch gerade auf eigene Faust einer Spur nachgeht. Da Julie jedoch ausschließlich mit Mike zu tun haben will, muss sich Marcus als dieser ausgeben, um die Zeugin nicht zu verlieren und das Chaos nimmt seinen Lauf...

Kritik:
Die harte Action-Buddy-Comedy "Bad Boys - Harte Jungs" markierte 1995 den Beginn zweier großer Kinokarrieren. Zum einen handelte es sich um das Spielfilmdebüt von Regisseur Michael Bay und zum anderen setzte der Film die Karriere von Will Smith so richtig in Gang. Doch beinahe wäre alles ganz anders gekommen, denn das ursprüngliche Drehbuch trug den Titel "Bulletproof Hearts" und war für die "Saturday Night Live" Komiker Jon Lovitz und Dana Carvey vorgesehen. Nachdem die beiden jedoch aus dem Projekt ausstiegen, erinnerten sich die Produzenten Don Simpson und Jerry Bruckheimer an ihren Erfolg, den sie 1984 mit "Beverly Hills Cop" feierten, nachdem sie Eddie Murphy die Rolle auf den Leib schrieben, die eigentlich für Sylvester Stallone vorgesehen war, und ließen das Script umschreiben. Ein weiterer Erfolgsfall, denn obwohl der Film nur für Erwachsene in den Kinos freigegeben wurde, spielte er bei einem Budget von geschätzt 19 Millionen US- Dollar weltweit mehr als 141 Millionen ein und machte insbesondere Will Smith mehr oder weniger über Nacht zu einem gefeierten neuen Action-Star.

Auch für Michael Bay stellte der Film einen wahren Glücksfall dar, obwohl er laut eigener Aussage weder mit dem Drehbuch, noch dem Budget oder der angedachten Drehzeit, die ihm von der zuständigen Produktionsgesellschaft Columbia Pictures eingeräumt wurde, zufrieden war. Allerdings konnte er sein Potential, das er zuvor in verschiedenen Werbefilmen und Musikvideos namhafter Künstler bereits angedeutet hatte, nun endlich auf die große Leinwand übertragen. Dabei erkennt man sofort, das sein Hauptaugenmerk auf den Action-Sequenzen liegt, was sein weiterer Werdegang mit Filmen wie "The Rock - Fels der Entscheidung", "Armageddon" oder der "Transformers"-Reihe in der Folge auch unter Beweis stellte. Bay schreckte dabei auch nicht davor zurück, einen Teil seiner Gage für den explosiven Showdown des Films aufzuwenden, nachdem ihm Columbia keine weiteren Mittel mehr zur Verfügung stellen wollte. Außerdem stellte er der Produktion seinen Privaten Porsche 911 zur Verfügung, der in einigen Szenen von Will Smith und Martin Lawrence gefahren wird. Bereits mit der Eröffnungsszene des Raubüberfalls setzt Bay den Maßstab in Sachen Action, die im Showdown wahrlich ihren virtuos inszenierten explosiven Höhepunkt findet. Zwischendurch lässt er seine Hauptdarsteller immer wieder in waghalsigen Verfolgungsjagden Kopf und Kragen riskieren, die von Bay mit gekonnten Kamerafahrten und Slow-Motion-Einstellungen in Szene gesetzt werden, welche ebenfalls zu einem seiner Markenzeichen in späteren Filmen werden sollten. Die komödiantischen Elemente bezieht der Film aus der klassischen Buddy-Geschichte, die teilweise an die Bud Spencer und Terence Hill Klassiker oder auch an die "48 Stunden"-Reihe erinnert sowie der Verwechslungsthematik, die immer wieder zu witzigen Situationen oder Dialogen führt.

Bei diesem Konzept kommt natürlich alles auf die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern Will Smith und Martin Lawrence an, die von Beginn an stimmt und mit viel Wortwitz untermauert wird, der nicht immer jugendfrei ist. Die beiden Drogenfahnder der Polizei von Miami sind Zeit ihres Lebens beste Freunde und laut eigener Aussage "Bad Boys for Life" , die sich jedoch ständig gegenseitig nerven und auf die Schippe nehmen. Da Michael Bay, wie bereits erwähnt, wenig begeistert von dem Drehbuch war, ließ er seine Comedy-erprobten Hauptdarsteller immer wieder improvisieren, wobei einige der lustigsten Dialogsequenzen zustande kamen. Kein Wunder, denn sowohl Martin Lawrence als auch Will Smith waren mit ihren Serien "Martin" und "Der Prinz von Bel-Air" gefeierte TV-Stars. Unterstützung erhält das Duo in weiblicher Form von Téa Leoni, die mit "Bad Boys - Harte Jungs" ebenfalls ihren Durchbruch auf der Kinoleinwand feierte. Ihre Figur Julie Mott führt die Cops auf die Spur der Gangster und hilft ihnen bei der Ermittlungsarbeit, wobei sie den beiden jedoch auch immer wieder in die Quere kommt. Es entwickelt sich eine dynamische Dreiecksgeschichte mit allerlei Irrungen und Wirrungen. Leoni fügt sich dabei nahtlos in die zwischen Lawrence und Smith bestehende Harmonie ein und braucht sich auch in Sachen Charisma und Wortwitz nicht hinter den beiden Hauptdarstellern zu verstecken. Auch die Nebenrollen sind hochkarätig besetzt. So ist der französische Charakterdarsteller Tchéky Karyo in der Rolle des Gangsters Fouchet zu sehen, der den Drogen-Deal seines Lebens abschließen will und dabei eiskalt agiert und auch nicht davor zurückschreckt, seine eigenen Männer zu opfern. Lowreys und Burnetts etwas neurotischer Boss Captain Howard wird gekonnt von Joe Pantoliano in Szene gesetzt. Die Unterhaltungen der Drei sprühen vor Wortwitz und auch Howards cholerische Art sorgt für Lacher. Alison Sinclair, Howards Kontrahentin von der Internen Ermittlung, mit der er sich das eine oder andere Wortgefecht liefert, wird von der damals noch nahezu unbekannten Marg Helgenberger gespielt, die sich später mit der Erfolgsserie "CSI: Vegas" einen Namen machen sollte - den Haarschnitt ihrer Figur hat sie jedoch hoffentlich schnell verdrängt.

Abgerundet wird der Action-Kracher durch einen gelungenen Soundtrack, denn sowohl der dynamische Score von Mark Mancina als auch die Lieder im Film tragen zur guten Unterhaltung bei. Diana Kings "Shy Guy" lief im Sommer 1995 bei MTV rauf und runter und der titelgebende Song "Bad Boys", der bereits im Jahr 1987 von Inner Circle veröffentlicht wurde, lädt sofort zum Mitsingen ein, auch wenn Martin Lawrence und Will Smith bis auf den Refrain keine Ahnung von den Lyrics haben.

Fazit:

"Bad Boys - Harte Jungs" ist eine actionlastige Buddy-Komödie, die von halsbrecherischen Verfolgungsjagden über hochstilisierte Schießereien und gewaltige Explosionen bis hin zu coolen Sprüchen alles bietet, was das Action-Herz begehrt. Da war eine Fortsetzung natürlich schnell im Gespräch, auch wenn diese ganze acht Jahre auf sich warten ließ.

Bild: © SONY Pictures Entertainment 2020

Unsere Bewertung:

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Trivia und Fun-Facts:

- Die Rolle des Mike Lowry wurde erst Arsenio Hall angeboten, bekannt aus "Der Prinz aus Zamunda", bis Michael Bay eine Folge von "Der Prinz von Bel Air" sah und an seiner Stelle Will Smith wollte. Hall lehnte dann die Rolle ab und bezeichnete dies später als den schlimmsten Fehler, den er je gemacht hatte.
- Michael Bay war so begeistert von der Stadt Miami, dass er dort in einige Immobilien investierte und für Dreharbeiten für "Bad Boys 2" und "Pain & Gain" in die Stadt zurückkehrte.
- Der Porsche 911er aus der Eröffnungsszene hat Michael Bay der Produktionsfirma geliehen.
- Vic Manni, der im Film einen von Fouchets Leibwächtern spielte, war in Wirklichkeit der Leibwächter des Produzenten Don Simpson, der ihn engagiert hatte, nachdem er von der Mafia bedroht worden war.


 

Ein neues Gangster-Epos? Unsere Kritik zu "The Irishman" | Filmtoast.tv

Inhalt:
Mafioso Russell Bufalino (Joe Pesci) nimmt in den 1950er Jahren den Kriegsveteranen und Lastwagenfahrer Frank Sheeran (Robert De Niro) unter seine Fittiche. Der vom Zweiten Weltkrieg in Gewalt erprobte Sheeran steigt schnell zum waschechten Gangster auf. Schließlich wird er von Bufalino zur rechten Hand von Jimmy Hoffa (Al Pacino) ernannt, seinerseits Kopf der Gewerkschaft der Lastwagenfahrer und nach dem US-Präsidenten zweitmächtigster Mann der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Freundschaft, die sich zwischen den beiden Männern entwickelt, wird auf die Probe gestellt, als die Beziehung zwischen Mafia und Gewerkschaft zu bröckeln beginnt. Die Ermordung John F. Kennedys im Jahr 1961 treibt einen Keil zwischen beide Parteien und Sheeran findet sich plötzlich zwischen den Fronten wieder. Eine Entscheidung muss getroffen werden.

Kritik:
Dreieinhalb Stunden geht der neue Film von Martin Scorsese. Netflix macht es möglich. Nicht nur die Laufzeit, sondern auch den Film selbst. In das Gangsterepos des Oscar-prämierten Regisseurs finanziell zu investieren, war kein großes Studio bereit. Superhelden- und Sternenkriegsabenteuer verstopfen weltweit Multiplexsäle, die Geschichtenerzähler des Kinos flüchten scharenweise zu Streamingdiensten. Zurzeit wird diskutiert, ob Marvel-Filme echtes Kino oder nur Vergnügungsparkfahrten seien. Scorsese selbst stieß diese Diskussion los. Nun fühlte er sich dazu berufen, seine Äußerung zu spezifizieren. Die Marvel-Filme seien Ausdruck eines konsumistischen Kinos und eines konsumistischen Kinos allein; ein Kino, das Filme hervorbringe, die wiederholt geprüft und modifiziert werden, bis sie eine ganz bestimmte Publikumslust zu befriedigen imstande sind. (1.) Drei Stunden ging das vorerst letzte Avengers-Abenteuer - der jetzt erfolgreichste Film aller Zeiten.

Im Kino von Martin Scorsese aber ging und geht es immer nur um Menschen. Um die Komplexität von Menschen und ihre widersprüchliche, zuweilen paradoxe Natur; wie sie sich lieben und verletzen und irgendwann selbst ins Auge blicken (müssen). (2.) "The Irishman" begann seine limitierte Kinoauswertung in den USA am 1. November 2019, drei Tage bevor Scorsese das Essay in der New York Times veröffentlichte. Seinen Text möchte man beinahe als Begleitbroschüre zum Film verstehen. Denn "The Irishman" ist der exemplarische Ausdruck dieses Kinos, für das Scorsese einsteht. Hauptattraktion des Films sind immer Frank Sheeran (Robert De Niro), Jimmy Hoffa (Al Pacino) und Russell Bufalino (Joe Pesci). Die Schauspieler, zu denen wir hinaufschauen; und die Figuren, an die sie ihre Körper verleihen. Der Mensch, ob auf dem Papier oder in Fleisch und Blut, ist das Herz dieses Kinos. Der Film versichert: Noch schlägt es.

Drehbuchautor Steven Zaillian entwirft zwischen diesen Figuren eine Konfliktdynamik, aus der der Film den Großteil seiner Qualitäten speist. Immerzu hängt man als Zuschauer an den Lippen der Figuren, sucht in den digital verjüngten oder alt geschminkten Gesichtern nach den kleinsten Regungen. "The most interesting and exciting thing in the whole world [is the] human face", hat Scorsese einmal gesagt. Nachdem man dreieinhalb Stunden zu den überlebensgroßen Gesichtern von DeNiro, Pacino und Pesci hinaufgeschaut hat, versteht man wieder warum. Wir schauen in diese Gesichter und versuchen zu erkennen, wie Sympathien entstehen und sich verschieben, Entscheidungen erst erwägt und dann getroffen werden. Wir sind gebannt von donnernden Wutausbrüchen, herzlichen Liebesbekundungen und schweigsamer Solidarität. Jede Geste und jedes Wort steht im Dienst sich wandelnder Beziehungsdynamiken. Menschlicher kann ein Kino kaum sein.

Erzählen tun Zaillian und Scorsese all das im Rahmen der Lebensgeschichte Sheerans, die irgendwo durchaus Aufstieg-und-Fall-Epos im Stil von "GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia""Casino" oder "The Wolf of Wall Street" ist, eine so konkrete Zuschreibung, einfach nur Selbstemulation zu sein, aber auch sanft verweigert. Die erste Stunde lang ist "The Irishman" nur Montage und Voice-Over; mit Mafiosi, die Häuserblocks regieren und sich direkt ans Publikum wenden; mit freeze frames und Texttafeln, die ins Bild krachen und uns darüber aufklären, welche Figur "Skinny Razor" und welche "Crazy Joe" genannt wird. Es ist eine Freude, Scorsese wieder das machen zu sehen, was er augenscheinlich am besten kann, vor allem da in seine Regie (und den Schnitt von Stammcutterin Thelma Schoonmaker) eine spürbare Altersmilde Einzug gehalten hat. Die passt ganz wunderbar in das thematische Konzept von Zaillians Drehbuch. Scorsese ist mit seinen Gangstern alt geworden.

Dementsprechend ist "The Irishman" von einem altersweisen Humor durchsetzt, der in den gewalttätigen Interessenkonflikten von Gewerkschaft und Gangsterviertel längst einen Sandkastenkrieg erkannt hat, in dem große Jungs mit hochentzündlichen Bauklötzen spielen. Die Texttafeln etwa nehmen spitzzüngig die gewaltsamen Tode der auf ihrem Karrierehoch operierenden Gangster vorweg. Durch diese Leichtfüßigkeit frisst sich mit verstreichender Laufzeit aber ein Gewissenswurm, der die Figuren zunehmend einzuholen droht. Der von Robert De Niro durch alle Phasen seines Lebens verkörperte Frank Sheeran wird zum Vermittler zweier Parteien, mit deren Anführern ihn gleichsam innige Männerfreundschaften verbinden. Dem politischen Werdegang von Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa ist der Mittelteil des Films gewidmet. Ihn geduldig und konzentriert mitzuverfolgen, zahlt sich aus - hier sät der Film alle Emotionen, deren Früchte er im Schlussakt erntet.

Zu sich selbst findet "The Irishman" so richtig erst dann, wenn er sich endgültig als Abgesang auf ebenjenes Subgenre zu verstehen gibt, das (unter anderem) von Scorsese einst zur unabdinglichen Populärkultur erklärt wurde. Beinahe dreißig Jahre sind vergangen, seitdem er Henry Hill (Ray Liotta) in das Zeugenschutzprogramm seines Gangster-Ruhestands schickte und ihm ein Bild immerwährender Angst vor dem Vergeltungsschlag mit auf den Weg gab. Vielleicht ist es Scorseses fortgeschrittenes Alter, das ihn nun zurück in die Arme der italienischen Mafia getrieben hat. Vielleicht ist es auch das, was ihn zwingt, dieses Mal bis ganz zum Schluss zuzugucken. Die einer epischen Erzähllogik folgende, in zig verschiedenen Zeitebenen aufgefädelte Lebensgeschichte von Frank Sheeran wird unter Scorsese zum tragischen Requiem für den Gangsterfilm selbst.

Familiäres Terrain wird zum dramatischen Hauptschauplatz ausgerufen. Die Loyalität gebietende Ideologie, der Sheeran sich verschreibt, schickt ihn auf einen Kollisionskurs mit dem eigenen Gewissen. Die überlange Laufzeit gibt den fatalen Entscheidungen, die er trifft (nie: treffen muss) und dem schmerzhaften Epilog, in dem Scorsese ihn schlussendlich ankommen lässt, viel Raum zum Atmen. So bitter, so reuevoll, vor allem aber so ausgiebig hat Scorsese seine Gangster noch nie die eigene Vergangenheit ausbaden lassen. Am Ende zeugen von ihr nur noch verblichene Fotos und entfremdete Töchter. Solche Figuren zu glorifizieren ist einfach, sie zu verdammen noch einfacher. Dass Scorsese ihre Taten für sich sprechen lässt, auf unmissverständliche Gesten ob ihrer Richtig- oder eben Falschheit verzichtet, zeugt einmal mehr von seinem innigen Vertrauen in die eigene Zuschauerschaft. Die Tür zu ihr wird vielleicht deshalb am Ende nicht ganz geschlossen.

Fazit:
Dreieinhalb Stunden geht der neue Film von Martin Scorsese. Obgleich nicht jede Minute immer packend, nicht jede Szene immer unmittelbar notwendig erscheint, möchte man im Nachhinein keine einzige missen. Inmitten hitziger Debatten um eine Definition kontemporären Kinos erinnert ein Großmeister daran, wie aufregend das menschliche Gesicht sein kann. "The Irishman" ist hinweg über die süße Versuchung des Gangsterlebens, verabschiedet glorreiche Mafiamythen in einen Ruhestand, in dem nur noch der Zerfall von Körper und Seele wartet. In einem Flashback zu Beginn des Films überwacht Frank Sheeran zwei deutsche Soldaten, die ihr eigenes Grab ausheben müssen. Er wundert sich über ihren Eifer, als würden sie hoffen, für ihre gewissenhafte Arbeit doch noch belohnt und am Leben gelassen werden. Nachdem sie fertig sind, erschießt Sheeran beide ohne zu zögern. And that's that. (NF)


1., 2.: Vgl.: The New York Times - Martin Scorsese: I Said Marvel Movies Aren’t Cinema. Let Me Explain.

Bild: © Netflix
Unsere Bewertung:

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Trivia und Fun-Facts:
- Für Al Pacino fühlten sich die Prozesse der Dreharbeiten an "The Irishman" wie in den 1970ern Jahren an
- Nach "Casino" aus dem Jahre 1995 ist dies der erste Film von Martin Scorsese, in dem Robert De Niro eine Hauptrolle übernahm
- Wenn es nach Robert De Niro gegangen wäre, hätte der Film den gleichen Titel wie der True-Crime-Report von Charles Brandt bekommen, der als Vorlage für das Drehbuch von Steven Zailian diente: "I Heard You Paint Houses."
- "The Irishman" hatte 106 Drehtage, den längsten Drehplan in der Karriere von Martin Scorsese


 

War sie es oder war sie es doch nicht? | Unsere Kritik zu "Verurteilt" | Filmtoast.tv

Inhalt:
Vom luxuriösen Leben als Upperclass-Studentin zur Angeklagten in einem spektakulären Mordfall: Zwei Jahre nach dem gewaltsamen Tod ihrer besten Freundin Camila steht die junge Dolores (Lali Espósito) im Mittelpunkt eines Aufsehen erregenden Prozesses. Während ihre Eltern das Mädchen nach allen Regeln der Kunst auf die Verteidigung vor Gericht vorbereiten, hat Dolores mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen. Was unvorhersehbare Folgen für den Ausgang der Verhandlung hat…

Kritik:
Zu Beginn des Films wird aufgeklärt, dass die Handlung frei erfunden ist und Ähnlichkeiten zu existierenden Personen und wahren Begebenheiten rein zufällig wären. Doch die Gemeinsamkeiten in der Kriminalgeschichte zum wahren Fall der Amanda Knox, die im Mordfall Meredith Kercher weltweit einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangte, sind mehr als nur verblüffend. 2007 wurde die britische Austauschstudentin Meredith Kercher in Italien in ihrer Wohnung getötet und Amanda Knox wurde gemeinsame mit ihrem damaligen Freund des Mordes angeklagt und zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 26 Jahren verurteilt. Der Fall erregte weltweit immenses Aufsehen, weil die Hauptbeschuldigte immer wieder schuldig und dann wieder freigesprochen wurde. Die Parallelen zum fiktiven Fall in "Verurteilt - Jeder hat etwas zu verbergen" lassen sich also nicht verleugnen.

"Verurteilt - Jeder hat etwas zu verbergen" feierte seine Premiere auf dem Filmfestival in Toronto und lief im Wettbewerb in Venedig. Ähnlich wie der gefeierte spanische Film "Der unsichtbare Gast", der den Stempel "Thriller in bester Hitchcock-Manier" bekam, verspricht der Trailer vom argentinischen "Verurteilt - Jeder hat etwas zu verbergen" einen spannenden Thriller, was etwas irreführend ist. Denn herausgekommen ist kein Psychothriller, noch nicht einmal ein Gerichtsdrama, sondern nahezu ein Bühnenstück, das in die Tiefe der Figuren eindringt. Der ganze Film dreht sich zwar um die Frage "War sie es oder war sie es nicht?" Doch der Film spart bis zuletzt mit Szenen aus dem Gerichtssaal und verzichtet gänzlich auf Blut oder Todesszenarien. Der Originaltitel "Acusada" lässt sich wohl eher mit "beschuldigt" übersetzen und der deutsche Filmtitel wirkt mit "Verurteilt" etwas deplatziert, denn zwischen einer Beschuldigung und einer Verurteilung liegen nicht nur Übersetzungsschwierigkeiten, sondern einfach mal Welten. Aber für die meisten ist Dolores ja eh schuldig, also ist sie schon vor dem Urteilsspruch verurteilt worden.

Freundschaft, Loyalität und Spaß. Das sind die drei Schlüsselbegriffe, die die Beziehung von Dolores zu ihrer besten Freundin Camila beschrieben. Doch nun ist Camila bereits seit zwei Jahren tot. Ermordet. Und Dolores des Mordes angeklagt. Der Zuschauer begleitet Dolores, ihre Familie und ihre Bekannten in dem Mordfall. Beim Zuschauen kommen immer wieder kleine Fragen auf, die einem in dem Fall beschäftigen und nicht mehr loslassen. Gab es vielleicht einen Mittäter oder gar einen Unbekannten, der noch identifiziert werden muss? Erstrangig geht es in dem Familienverbund um die Vater-Tochter-Beziehung. Dolores Vater versucht einen Zusammenhalt vorzuleben, die Verteidigung aufzubauen und für den Anwalt Strategien zu entwicklen. Menschen werden auf die Probe gestellt. Glauben die Eltern an die Unschuld ihrer Tochter, die immer wieder zwei Gesichter präsentiert? Im Grunde sind die Geschehnisse und Taten der Familie eine Metapher dafür, dass die Familie sich ihr eigenes Gefängnis baut. Dolores, die gekonnt von der argentinischen Sängerin Lali Espósito dargestellt wird, war vor den Geschehnissen eine starke Persönlichkeit und nun bekommt sie vorgeschrieben was sie machen und sogar sagen soll. Sie wird unterdrückt. Im Freundeskreis ist Dolores die Anführerin, doch gerade deswegen fragt man sich: gab es zwischen ihr und Camille wirklich einen so heftigen Streit, der zum Tode hätte führen können?! Man weiß es lange Zeit nicht.

Fazit:
"
Verurteilt - Jeder hat etwas zu verbergen" ist ein tiefes Drama versteckt im Gewand eines Thrillers. Man taucht tief ein in die Figuren. Es geht um Trauer und Einsamkeit, primär um Zweifel und welch große Macht die Medien in so einem Mordfall haben können, um die Öffentlichkeit zu manipulieren. Der Film mündet dann in einem Geständnis in einem TV-Interview und mit der Frage, wie viel Wahrheit und Menschlichkeit die Protagonistin in diesem Moment zeigen kann und darf. Ein sehenswerter, argentinischer Film.

Bild: © 2019 Koch Films
Unsere Bewertung:

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Trivia und Fun-Facts:
- Der Film feierte seine Premiere in Toronto und lief im Wettbewerb in Venedig