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Geheimdienste, Spionage und die Staatssicherheit - Titus Müller und seine Spionin-Reihe

In der Berliner Hansa-Bibliothek las Autor Titus Müller aus seinem zweiten Band der Spionin-Reihe DAS ZWEITE GEHEIMNIS. Das Plakat vor der Stadtbibliothek warb mit dem Untertitel „Deutsch-deutsche Geschichte zwischen Flucht, Verrat und Flower Power.“ Titus erzählte als Einleitung den interessierten Zuhörern, warum er überhaupt Bücher schreibt. Eines Tages stand er in der ehemaligen Sonderhaftanstalt Bautzen II des Ministerium für Staatssicherheit vor einem riesigen Loch. Einem Häftling gelang eine spektakuläre Flucht. Er grub sich durch das Mauerwerk. Damals fahndeten Einheiten der Nationalen Volksarmee, Betriebskampfgruppen und hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit - insgesamt 12.000 Leute - nach dem Häftling. Titus recherchierte so tief, dass er auch gleich ein Roman über die versuchte Republikflucht schreiben konnte, so der Autor. Genau hier zeigt sich wieder, was seine Bücher ausmachen. Seine Vorliebe zum exakten geschichtlichen Detail, die Befähigung Geschichte dadurch spürbar zu machen und wieder zum Leben zu erwecken.

Ausfürhlrich auf die ersten beiden Teile gehe ich in meinen Kritiken zu DIE FREMDE SPIONIN und DAS ZWEITE GEHEIMNIS für Euch ein.

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Geheimdienste wurden gegründet, um Gesetze zu brechen. Nicht im Inland, sondern im Ausland.

Seine letzte Lesung zu DAS ZWEITE GEHEIMNIS führte mich in die ehemalige, zentrale Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit nach Berlin-Hohenschönhausen. Meinen Bericht dazu könnt Ihr hier nachlessen: Bücher wider das Vergessen - Lesung aus DAS ZWEITE GEHEIMNIS mit Titus Müller. Das Spannende an seinen Lesungen ist, dass Titus scheinbar keinen festgelegten Fahrplan hat. So ist jede Lesung einzigartig und wenn der Pastorensohn über Agententätigkeit und Spionage-Utensilien spricht, gerät er fast ins Schwärmen. Ihm interessiert dort vor allem die moralischen Fragen. „Geheimdienste wurden gegründet, um Gesetze zu brechen. Nicht im Inland, sondern im Ausland.“ Da musste und muss sich jeder die Frage stellen: „Ist es das wert?“ An ganz modernen Sachen hat er eigentlich nicht so Interesse. Da wäre es ja eher so, dass die Leute ihm alles diktieren könnten. Da hat er es lieber über Geschichtliches zu schreiben, wo ihm die Eckpfeiler vorgegeben sind, er aber die Zwischenstücke noch selber füllen kann.

Despektierlich findet er die Tatsache, dass die Eheleute Honecker sich damals in Wandlitz quasi per Quelle-Katalog heimlich die neueste Technik aus der BRD bestellte, aber das eigene Volk für die Gier nach westlicher Ware anprangerte.

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Der Ausblick: Nach dem der erste Band DIE FREMDE SPIONIN mit mittlerweile über 40.000 verkauften Exemplaren auf der Spiegel Bestsellerliste landete, liegt der zweite Band knapp dahinter. Dieser Treppeneffekte wäre jedoch normal für eine Trilogie, erzählt er mir. Der dritte Band - DER LETZTE AUFTRAG - erscheint im kommenden Mai. Die Abgabe des fertigen Buches soll zu Weihnachten erfolgen. Wie weit Titus wirklich ist, verriet er mir im Vertrauen. Feststeht jedenfalls, dass Wladimir Putin - wie geplant - im dritten Teil vorkommen wird. Der heutige russische Präsident verbrachte von Ende 1985 bis kurz nach der Wende seine Zeit in Dresden im Dienste des KGB. Brisant und spannend. Optimistisch war Titus zunächst auch bei der Anfrage von Warner für die Rechte an den Büchern. Es sollte eine sechsteilige Serie entstehen. Dieses Vorhaben zerschlug sich jedoch wieder. Der persönliche Ausblick geht aber auch über den dritten Band hinaus. Die Frage ist zu klären, ob ein alleinstehender Roman kommen wird oder ob er vielleicht eine neue Trilogie anfängt.

Selbst schaut er lieber abgeschlossene Filme und weniger Serien. So sind auch seine Bücher aufgebaut. Es gibt einen roten Pfaden, der sich durch jeden Band zieht, aber man könnte auch das zweite Buch zum Beispiel alleine lesen, weil es für sich stehen kann. Mit Ria wollte er eine Romanfigur zum Mitfiebern erschaffen. Eine Person kreieren, die eine große Fläche zum Wiedererkennen bietet. Umso überraschter war er, dass viele Leser den KGB-Spion liebten, eigentlich den Gegenpart. Weil er höchstwahrscheinlich die weitere Strecke zurücklegen musste, für die eigene persönliche Veränderung.

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Für diejenigen, die noch ein Geschenk suchen oder keine Spionage über Weihnachten vertragen, empfiehlt Titus sein Buch TANZ MIT MIR, AURELIA. Im 17. Jahrhundert in England lässt Oliver Cromwell das Weihnachtsfest verbieten, mit der Begründung, es sei mit heidnischen Bräuchen vermischt und daher unbiblisch. Eine Liebesgeschichte darf da aber auch nicht fehlen.

„Ein Buch ist ein Weihnachtsgeschenk, was nicht dick macht,“ empfiehlt der wie immer sympathische Titus. Und einen Müller-Roman kann man getrost jedem unter den Baum legen. Der Beschenkte wird seine Freude an ihm haben. 


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Bild: © Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Bücher wider das Vergessen - Lesung aus DAS ZWEITE GEHEIMNIS mit Titus Müller

Im Nordosten Berlins laufe ich von der Bushaltestelle zum heutigen Termin durch eine beschauliche Gegend. Die kleinen abgehenden Straßen rechts von mir sind gerade und durchkreuzen eine verträumte Einfamilienhaussiedlung. Die meisten Häuser sind neu. Man wünscht sich hier mal zum Grillen eingeladen zu werden. Aber irgendwie täuscht die schöne Idylle. Vereinzelte Häuser haben noch eine alte Fassade, diesen typischen Kratzputz der DDR. Ich spüre förmlich, dass mit diesem Ort etwas nicht stimmt. Ein Ort, der jahrelang auf keinem Ostberliner Stadtplan eingezeichnet war. Laufe ich einige Schritte weiter, befinde ich mich mitten in einem militärischen Sperrbezirk - einem ehemaligen zum Glück - der von der Außenwelt hermetisch abgeriegelt war. Hier befand sich die zentrale Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit. Ich befinde mich in Berlin-Hohenschönhausen. Ein Ort, der kaum wie ein anderer in Berlin und dem ganzen Rest Deutschlands mit der 44-jährigen Geschichte politischer Verfolgung während der sowjetischen Besatzung mit der DDR verknüpft war. Heute befindet sich hier eine Gedenkstätte. Interessiert man sich für Geschichte, für die Vergangenheit Berlins, führt dort kein Weg vorbei. Der perfekte Ort für eine Lesung und Buchvorstellung in der tollen Lesereihe der Gedenkstätte „Bücher wider das Vergessen“, denn zentrale Passagen des Romans DAS ZWEITE GEHEIMNIS spielen in diesem Gebäudekomplex des Jahres 1973 … als dieser Ort noch keine Gedenkstätte war.

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Im Filmraum A treffe ich auf den Autoren Titus Müller, der in der DDR aufwuchs und seine Kindheit selbst als schön empfand. Vielleicht kann man ihm anmerken, dass er Sohn eines Pastors und einer Krankenschwester ist. Er ist höflich, zuvorkommend, von Kopf bis Fuß sympathisch. Trotz des Erfolges - für seine Romane wurde er u.a. mit dem C.S. Lewis-Preis und dem Sir-Walter-Scott-Preis ausgezeichnet und mit DIE FREMDE SPIONIN schaffte er es auf die Spiegel-Bestsellerliste, um nur einige Anerkennungen zu nennen - auf dem Boden geblieben. Eigentlich wollte er Bäcker werden, berichtet von Durchsuchungen seiner Schultasche von Schulkameraden, dass er beim Fahnenappell kein Hemd tragen wollte und einmal vor Margot Honecker sang. Auf dem Tisch liegen heute zwei Romane: DIE FREMDE SPIONIN und DAS ZWEITE GEHEIMNIS. Letzteres ist der Mittelband der Ria Nachtmann - Trilogie. Ria ist zehn Jahre alt, als ihre Eltern von der Staatssicherheit abgeholt werden und sie von ihrer Schwester getrennt in einer Adoptivfamilie aufwachsen muss. Sie lebt ein scheinbar angepasstes Leben in der DDR. Lernt einen Beruf und wird Sekretärin im Ministerium für Innerdeutschen Handel, Außenhandel und Materialversorgung. Doch in ihr drin brodelt es und mit ihrer Vergangenheit ist sie Ziel des BND. Im Hintergrund laufen die Vorbereitungen für die Geheimoperation „Rose". Das ist der Plot des ersten Romans. Heute spricht Titus bereits über den zweiten.

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Für Titus ist diese wohl die spannendste Lesung. An einem Ort, wo Leute eingesperrt, mit Schlafentzug gesprächig gemacht wurden und es damals noch die Todesstrafe auf Spionage gab. Vieles fand gar nicht so im Geheimen statt, wie man es sich heute vielleicht vorstellen mag. Von den Hinrichtungen wurde offiziell in den Zeitungen berichtet, natürlich zur Abschreckung. Nach dem der Mauerbau im ersten Teil eine zentrale Rolle spielte, folgen wir wieder Ria, nun Jahre später. Titus fand es spannend, sich einmal anzusehen, was Liebespaare zu der damaligen Zeit machten. Als die Grenze noch offen war, verliebte sich Ria in den Journalisten Jens. Beide verloren sich aus den Augen und verabreden sich nun im bulgarischen Warna, denn dort konnten DDR-Bürger auf Bürger aus dem Westen treffen. Reisen ins kapitalistische Ausland war nur den Funktionären und einer Minderheit vorbehalten. Von diesem Wiedersehen nach vielen Jahren liest Titus die erste Passage auf der heutigen Lesung.

Kurze Zeit später wird Ria von bulligen Männern zum Flughafen begleitet und nach Deutschland - ja quasi - zurücktransportiert. Dort wird sie zum Stasigefängnis geführt, an den Ort der heutigen Veranstaltung. Ich sitze zwar im Filmraum A, der renoviert ist und der nicht an das verfallene Früher erinnert, doch da ich das Buch im Vorfeld schon lesen konnte, stelle ich mir im Kopf die Szenerie vor, wie Ria in einem Auto einen Sack über den Kopf gezogen bekommt, damit sie nicht weiß, wo ihre Reise hingeht. Das schwere Außentor des Geländes öffnet sich. Die Scharniere ächzen unterm dem schweren Metall und machen den Weg frei … in die Hölle. Ria wird in ein Untersuchungszimmer geschleppt und trifft dort auf die Verhörspezialistin Marga. Aus diesem Verhör liest Titus die zweite Passage. Durch die Kraft seiner gewählten Worte fühlt man Rias Lage irgendwie mit. Welcher Druck auf sie und den echten Gefangenen geherrscht haben muss, bleibt dennoch unvorstellbar.

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Wir machen einen Sprung und sind bei Rias Tochter Annie, die eine Elitesportschule besucht. Titus fand hier spannend bei seiner Recherche herauszubekommen, ob man sich unter diesen Bedingungen dennoch verlieben konnte und trat mit Besuchern solcher Sporthochschulen in Kontakt. Und man konnte. Der Apparat der Staatssicherheit sieht in Annie, die keinen besonders guten Draht zu ihrer Mutter hat, natürlich ein gutes Ziel und die Möglichkeit, sie gegen die Mutter auszuspielen. Sie wollen sie auf ihre Mutter ansetzen.

Bleibt man beim Sport sind die Weltjfestspiele der Jugend das Ereignis dieser Zeit. Sie gaukeln eine weltoffene DDR vor. An den neun Veranstaltungstagen feierten acht Millionen Menschen in Ostberlin, darunter waren 25.000 Besucher aus 140 Ländern. Aber unter den Feiernden mischen sich auch 27.000 Mitarbeiter der Staatssicherheit, unter anderem verkleidet als FDJler. Es gibt 2.000 Festnahmen. Versuche von ausländischen Gästen, die Spiele für Proteste zu verwenden, wollte man unterbinden. Aber man konnte nicht alles verhindern. So spielte im Schutze von Jugendlichen auf dem Berliner Alexander Platz der Liedermacher Wolf Biermann, dem eigentlich ein Auftrittsverbot auferlegt wurde. Titus wollte unbedingt einen Ausschnitt aus einem Liedtext im Buch veröffentlichen. Sein Team sagte ihm dann aber, dazu benötigen wir die Genehmigung von Biermann. Also ging eine Anfrage raus und lange Zeit kam keine Antwort. Erst kurz vorm Druck kam das OK von Biermann, der sagte: „Könnt Ihr machen, aber nur, wenn ihr das ganze Lied abdruckt.“ So geschah es dann auch.

Neben der Liebe und dem Sport darf natürlich bei den brisanten Staatsführungen dieser Zeit die Politik nicht zu kurz kommen. Also behandelt Titus in diesem Roman unter anderem die Guillaume-Affäre. Aber zu viel soll auch nicht verraten werden, denn alles könnt ihr selbst im spannenden zweiten Teil der Trilogie nachlesen: DAS ZWEITE GEHEIMNIS.

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Bleibt nur noch der Ausblick auf den dritten Teil, das vermeintliche Finale. Fertig ist es noch nicht, Titus recherchiert noch fleißig, berichtet er. Eine zentrale Figur wird Wladimir Putin sein und seine Tätigkeiten als Spion in Dresden. Ob die aktuelle Zeit und Brisanz Putin in seinen dritten Teil katapultierte, verneinte Titus. Er war von Beginn an eingeplant. Die Vorfreude nach den ersten beiden mitreißenden Teilen ist vorprogrammiert.

Mit den Ereignissen in der Ukraine wurde aus einem für beendet erklärten Kalten Krieg plötzlich wieder ein Heißer Krieg, mitten in Europa. Ob die Spionage per se für schlecht erklärt werden kann, kann Titus nicht so wirklich unterschreiben. Schließlich hat die Spionage der Alliierten während des Zweiten Weltkrieges den Krieg um geschätzte ein, zwei Jahre verkürzt, sagt er. Geht es um Spionage, wirft Titus von der ersten Seite an die moralische Frage in die Waagschale. Das ist das Spannende an seinen Büchern. Ich bleibe ihm Treu und bin auf der einen Seite gespannt, was Ria weiterhin widerfährt, was noch von Titus Müller erscheinen wird und auf der anderen Seite habe ich das Glück, auf den Autoren Titus Müller erst spät aufmerksam geworden zu sein, so habe ich noch einige Werke von ihm vor mir, die ich nachholen kann. Gerade zu Ende gelesen habe ich sein Buch NACHTAUGE, das von einem ungewöhnlichen Liebespaar im Zweiten Weltkrieg handelt, von strategisch wichtigen Talsperren in Deutschland und natürlich darf bei Titus eine Spionin nicht fehlen, dieses Mal ist es eine deutsche in Großbritannien. Lesenswert … wie bis jetzt alles von Titus Müller.


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Bild: © Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
In den Fängen der Spionage | Unsere Kritik zu DAS ZWEITE GEHEIMNIS | Filmtick.de

Der Name Titus Müller steht für gut recherchierte Geschichten. Mit seinen Figuren, seinen expliziten Schilderungen der Ereignisse der jeweiligen Zeit und seinen angenehmen Schreibstil zieht er einen völlig in den Bann des Geschehens. Gerade ist der zweite Teil der Spionin-Reihe um Ria Nachtmann erschienen: DAS ZWEITE GEHEIMNIS.

In DIE FREMDE SPIONIN, dem ersten Teil der Trilogie, sind die Grenzen der Stadt Berlin zwischen West und Ost des Jahres 1961 noch so weit offen, dass über 120.000 West-Berliner in Ost-Berlin und Umland und über 70.000 Ostberliner in den Westsektoren arbeiten konnten. Der Grenzübertritt der Arbeitnehmer war ganz normal und doch ist es eine besorgniserregende Zeit, deren Brisanz sich immer weiter zuspitzt. Wir folgen der Hauptakteurin Ria, die uns in Rückblicken ihre Geschichte eröffnet. Wie ihr Vater von der Staatssicherheit verschleppt und verhaftet, sie von ihrer Schwester getrennt wurde und in einer Adoptivfamilie aufwachsen musste. Nach Außen hin führt sie ein angepasstes Leben, macht sogar eine Ausbildung als Sekretärin und bekommt eine Anstellung im Ministerium für Innerdeutschen Handel, Außenhandel und Materialversorgung. Innerlich ist sie aber aufgewühlt und leichtes Ziel verfeindeter Geheimdienste. Sie wird vom BND angeworben, der ihr im Gegenzug verspricht, bei der Suche nach ihrer Schwester behilflich zu sein.

In fesselnden Passagen lässt Titus Müller Ria mit Minikameras und toten Briefkästen für den Klassenfeind aus dem Westen spionieren. Obendrein verliebt sie sich noch in Jens, einen Zeitungsredakteur der anderen Seite. Vereinzelt wechselt der Handlungsstrang Rias zu dem der Machthaber und wir können nachlesen wie Alexander Schalck-Golodkowski Devisen für die DDR beschaffte. Er führte Briefkastenfirmen und Handelsgesellschaften in vielen Ländern, lieferte unzulässig Waffen in Krisengebiete, umging Embargo-Gesetze, importierte Sondermüll aus der Bundesrepublik und West-Berlin und ließ sich dafür bezahlen. Auch der Häftlingsfreikauf gehörte zu seinen Aufgaben und machte Menschen zur nachwachsenden Ware. Anfänglich zahlte die BRD 40.000 DM für einen Häftling, später sogar 96.000 DM. Bis 1989 erlangten so 31.755 Häftlinge die Freiheit. Seine Kommerzielle Koordinierung, die KoKo, war sondergestellt innerhalb der sozialistischen DDR. Knackpunkt des ersten Teils war die Vorbereitung der kompletten Abriegelung des Landes und die völlige Spaltung der Stadt Berlin durch die oberste Riege um Erich Honecker. Der Bau der Mauer war beschlossene Sache und wurde nun organisiert.

Waren schon die ersten Episoden in Rias Leben aufwühlend, verschärft sich ihre Situation dreizehn Jahre nach dem Mauerbau im Nachfolgeroman DAS ZWEITE GEHEIMNIS weiter. Um bei ihrer Familie bleiben zu können, entschied sie sich für ein Leben in der DDR. Doch ihre große Liebe zu Jens treibt sie dazu, sich heimlich mit ihm während eines Urlaubs im befreundeten sozialistischen Ausland zu treffen, was zugleich die Stasi auf sie aufmerksam macht.

In bewegenden Abschnitten erklärt uns Titus Müller die Arbeit der Stasi: Worauf bei Passkontrollen geachtet wurde, wie sie bei Beschattungen operierten, wie Hausdurchsuchungen stattfanden und wie man regelrecht Jagd auf Menschen machte. Zentrale Handlungsorte sind in Berlin unter anderen die Friedrichstraße, das Stasigefängnis in Hohenschönhausen oder das südlich von Berlin, in Sachsen gelegene, Bautzen. Das alles bettet Titus Müller in eine Geschichte mit wahrem Hintergrund und Ereignissen, die wahrhaftig stattfanden. Zum einen lesen wir über Willy Brandt und dessen Referenten im Kanzleramt Günter Guillaume im Westen, zum anderen finden im Osten die Weltjugendspiele statt, die eine weltoffene DDR repräsentieren sollten. An den neun Veranstaltungstagen feierten acht Millionen Menschen in Ostberlin, darunter waren 25.000 Besucher aus 140 Ländern. Unter den Feiernden mischten sich unglaubliche 27.000 Mitarbeiter der Staatssicherheit. Und mittendrin befindet sich Ria, deren Herz weiterhin für Jens schlägt und die Kontakt zu ihrer Tochter Annie sucht. Annie wird vom Staat an einer Kinder- und Jugendsportschule intensiv gefördert, nahezu drangsaliert. Medikamente werden den jungen Sportlern zur Leistungssteigerung verabreicht, sie werden unter Druck gesetzt und so erpressbar für die Staatssicherheit gemacht. Auch an Annie treten sie heran.

Rias Schwager Henning rückt in diesem Teil als zentrale Figur in den Vordergrund. Er arbeitet als Grenzsoldat an vorderster Stelle. Der Mauer kommt kaum jemand näher als er. Mit seinen eigenen Gedanken und Schilderungen sehen wir die Arbeit dieser Grenzsoldaten auf dem Todesstreifen, wie er aufgebaut war und wie menschenverachtend die Sperranlagen funktionierten. Als Henning die Republikflucht wagt, liest man, was es heißt, auf Menschen zu schießen. Die Republikflucht schlägt fehl und doch gibt Henning nicht auf und was Ria damit zu tun hat und warum plötzlich Hähner vom BND wieder den Kontakt zu ihr sucht, muss man schon selbst nachlesen in DAS ZWEITE GEHEIMNIS von Titus Müller.

Fazit:
Wiederkehrend in all seinen Werken macht Titus Müller die Vergangenheit greifbar, auch hier. Er zeichnet brillant ein Bild wie ideologisch fixiert, erbarmungs- und gewissenlos die Geheimpolizei der DDR arbeitete. Ohne Rücksicht auf Verluste werden Personen zersetzt, Familienmitglieder zur Mitarbeit gedrängt. Das Ministerium für Staatssicherheit spinnt so ein Netz aus inoffiziellen Mitarbeitern, dem bis zum Scheitern der DDR 1989 rund 189.000 Menschen angehörten. Dabei lässt Titus Müller die Gegenseite nicht farblos und verpasst ihr mit der Verhörspezialistin Marga ein Gesicht. Aufwühlend, wenn man bedenkt, dass das Gelesene keine Fiktion ist und auch wenn die Figuren erfunden sind, die Hintergründe entstammen nicht der Einbildung eines Romanautors. Jetzt muss man bis nächstes Jahr warten, denn da erscheint mit DER LETZTE AUFTRAG das Finale der Reihe. Eigentlich schade, es könnte gerne weitergehen.



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Bild: © Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH