Blog-Suche
Zum Blog zurückkehren
Das war das Filmjahr 2022

Das Jahr 2022 neigt sich mit großen Schritten dem Ende zu. Damit wird es auch Zeit, das Filmjahr für sich noch einmal Revue passieren zu lassen. Sich an schöne Filmstunden zu erinnern, aber auch an die eine oder andere Frustration zu denken, mit der man beim Abspann des Filmes fassungslos im Kinosessel saß. Mir fällt auf, dass unter den Top-Filmen fast ausschließlich Kinoveröffentlichungen zu finden sind, was ein gutes Zeichen für das Kino ist. 

Top 5

SPENCER.jpeg

5. SPENCER
Auch wenn SPENCER von mir nur 7 von 10 erhalten hat, war die schauspielerische Leistung von Kristen Stewart ausschlaggebend, den Film in die Top Five rutschen zu lassen. Wieviel Wahrheit in SPENCER steckt, darüber lässt sich nur spekulieren. Fest steht, dass Kristen Stewart es schafft, in die Rolle einer Ikone zu schlüpfen, ohne es aufgesetzt wirken zu lassen. Einmal mehr beweist sie, dass sie schon längst vom Teenie-Star zu einer der vielfältigsten und interessantesten Schauspielerinnen avanciert ist. Der Film ermöglicht einem weit entfernt von den weichgespülten offiziellen Biografien aus dem Königshaus mit seinen Einblicken und Mutmaßungen in mitfühlender Art sich weitere eigene Gedanken zu bilden, wie solch ein Leben ausgesehen haben muss.


RRR.jpg

4. RRR
Der indische Actionfilm fand limitiert den Weg in ausgewählte Kinos. Leider habe ich ihn nur bei Netflix auf dem kleineren Bildschirm sichten können, was mich am Ende etwas ärgerte. Den hätte man im Kino sehen sollen. RRR steht für "Rise Roar Revolt", also Aufsteigen, Brüllen, Rebellieren. Der Film spielt im Jahre 1920 als das Vereinigte Königreich als Kolonialmacht in Indien herrschte. Bheem und Raju, zwei junge Männer freunden sich an. Sie haben beide komplett andere Hintergründe und es kommt zum Konflikt. Visuell und technisch ein Riesenspaß. 


TRIANGLE OF SADNESS.jpg

3. TRIANGLE OF SADNESS
Für den diesjährigen Cannes-Gewinner brauchte ich etwas Zeit, aber letzten Endes hatte sich der Kinogang gelohnt. Köstlich, die satirische Tragikomödie. Der Film entführt uns in die Welt der Reichen und Schönen, in der Geld keine Rolle spielt. Gefühlt in drei Akten aufgebaut, landet man im Hauptteil auf einem Boot, auf dem die Ereignisse sich zuspitzen. Zum Ende hin werden die Rollen der Crewmitglieder und der Passagiere immer weiter vertauscht und Geld bringt keine Machtpositionen mehr. Besonders tragisch ist, dass die Hauptdarstellerin Charlbi Dean noch in diesem Jahr an einer bakteriellen Sepsis verstorben ist. Mit diesem hätte sie wahrscheinlich den Durchbruch geschafft. 


TOP_GUN_MAVERICK.jpg

2. TOP GUN: MAVERICK
Das ich ein großer Tom Cruise - Fan bin, ist keine Geheimsache. Dieser Mann und ich betone, dass ich sein privates Umtreiben nie verfolge, alles für das Kino gibt und das rechne ich ihm hoch an. Er schafft hier das schier Unmögliche ... wieder einmal. Viele Fortsetzungen kommen nicht an das Original heran, aber TOP GUN: MAVERICK wurde nie als Abklatsch des Originals oder als schwerfällige Fortsetzung angelegt. Der Film wirkt frisch und kommt wuchtig durch die epischen Flugszenen rüber. Einfach atemberaubend. Dass das Team lange genug wartete bis die Geschichte passte, merkt man. Auch hier geht es wieder um Brüderlichkeit, Freundschaft und Loyalität. Ohne Zweifel eine der besten Fortsetzungen, die es gibt. Man mag fast behaupten, sie wäre besser als das Original, Tom Cruise sei Dank.


MASSIVE_TALENT.jpg

1. MASSIVE TALENT
Auf der Liste meiner Lieblingsschauspieler rangiert noch vor Tom Cruise Mr. Cage, der in den 1990er Jahren große Erfolge mit Actionfilmen feierte. Nach Kassenerfolgen wie THE ROCK - FELS DER ENTSCHEIDUNG, CON AIR oder FACE/OFF - IM KÖRPER DES FEINDES wurde es zum Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends um Cage stiller. Die Frequenz seiner Produktionen nahm zugegebenermaßen zu, aber die Präsenz auf der Kinoleinwand ab. Umso mehr freut mich, dass er mit MASSIVE TALENT seine Schauspielkunst wieder einmal bestätigen konnte. Hier steht die Liebe zum Geschichtenerzählen im Fokus und letzten Endes auch die Freundschaft zwischen Männern. Urkomische Situationen verlieren durch die Vater-Tochter-Beziehung nicht an Dramatik. MASSIVE TALENT ist ein Schrein für die Cage-Gemeinde und lehrt, um wachsen und um vorankommen zu können, sollte man sich mit seiner alten Version und Persönlichkeit auseinandersetzen. Nicolas Cage ist nicht zurück, er war nie weg. Mein persönlicher Film des Jahres 2022.


Die größten Enttäuschungen

NOPE war jetzt nicht miserabel, er hatte auch gute Passagen, aber ich hatte mehr von Jordan Peele erwartet. Damit läutet er die Top Five meiner größten Enttäuschungen des Filmjahres 2022 ein. Ich schaute eigentlich immer gerne die Filme unserer beiden deutschen Regisseure in Hollywood. Leider ist in diesem Jahr Wolfgang Petersen verstorben, der unglaubliche Produktionen in seiner Filmografie zu stehen hat. Der andere Mann ist Roland Emmerich. Mit MOONFALL versucht er nach mäßigen Erfolgen wieder voll durchzustarten und ließ eine mysteriöse Kraft den Mond aus seiner Umlaufbahn um die Erde stoßen. Leider katapultierte Emmerich sich damit auch in die Top Five meiner Enttäuschungen. Hier stimmte nichts: Story nicht, Effekte nicht. Das kann er definitiv besser. So wie man hört, arbeitete er an einem neuen STARGATE. KNIVES OUT feierte mit Daniel Craig als Detektiv einen großen Erfolg im Kino. Daraufhin wurden zwei weitere Fortsetzungen geplant, die Rechte sollen Netflix 400 Millionen US-Dollar wert gewesen sein. GLASS ONION: A KNIVES OUT MYSTERY ist die erste Fortsetzung und lief nur limitiert und zeitlich begrenzt im Kino, zu Recht. Denn die Fortsetzung hinkt dem ersten in allen Belangen hinterher. Er war nicht mehr so spannend, eigentlich vorhersehbar und wirkte nicht mehr so cool. Schade. Der zweite Film machte nicht unbedingt Lust auf die nächste Fortsetzung. Die nächste Enttäuschung kommt ebenfalls vom Streamingdienstanbieter Netflix: THE GRAY MAN. Für mich visuell leider nicht das, was ich mir erhofft hatte. Manche Szenen sahen unterirdisch katastrophal aus, dabei war ich nach dem Trailer guter Dinge. Schade. Die absolute Vollkatastrophe des Jahres war aber JURASSIC WORLD - EIN NEUES ZEITALTER. Gut gemeint ist hier einfach eben auch nur daneben. Auf den beiden Handlungssträngen um den Cast von JURASSIC WORLD und den von JURASSIC PARK lastet zu viel Ballast der anderen Elemente der Geschichte. Die Entführung, die Heuschreckenplage und die Verschwörung lassen keinen Platz für das Ankommen der Charakteren. Weder Chris Pratt oder Bryce Dallas Howard dürfen in ihren Figuren aufgehen und sich um den Teenager so richtig kümmern, noch dürfen die Spitzen zwischen Laura Dern und Sam Neill, die im ersten Teil doch so köstlich funktionierten, aufkeimen. Vernichtend und katastrophal sind Wörter, die im (!) JURASSIC PARK / JURASSIC WORLD - Universum vorkommen und nicht den Film näher beschreiben sollten. Mir erscheint als großer Fan des ersten Teils bei einer erneuten Sichtung das Zertrampeltwerden durch einen T-Rex verlockender. Schade, was aus der Reihe geworden ist. DER Verlierer des Jahres. 


MOST WANTED 2023

MOST_WANTED.jpg

Im Kinojahr 2023 kommen große Blockbuster auf uns zu. Durch die Bank weg überwiegend Fortsetzungen, was sehr schade ist. Aber auf eine freue ich mich am meisten. Tom Cruise schlüpft erneut in die Rolle des Ethan Hunt, nun bereits zum siebten Mal. Der Trailer von MISSION: IMPOSSIBLE - DEAD RECKONING - TEIL EINS mit dem Score von Lorne Balfe sieht vielversprechend aus. Mein Most Wanted 2023.

1. MISSION: IMPOSSIBLE - DEAD RECKONING - TEIL EINS
2. RENFIELD
3. INDIANA JONES UND DER RUF DES SCHICKSALS
4. JOHN WICK: KAPITEL 4
5. OPPENHEIMER
6. DUNE: PART TWO
7. WONKA
8. SPIDER-MAN: ACROSS THE SPIDER-VERSE
9. AQUAMAN: LOST KINGDOM
10. TÁR

Beyond the Screen - Ein Gespräch mit Rachel Portman

Rachel Portman hat in knapp 40 Jahren bereits an über 100 Kompositionen für Film, Fernsehen und Theater geschrieben. Aber nicht nur der Film lockte sie. Sie schrieb für die Houston Grand Opera an der Oper „Der kleine Prinz“, auf der Grundlage von Saint-Exupérys. Freude hat sie am Schreiben für einzelne Stimmen, sehr gerne verfasst sie auch etwas über den Klimawandel. Aber heute steht bei der 1960 in West Suxxes in England geborenen Rachel Portman ihr Schaffen als einflussreiche Komponistin beim Film im Vordergrund. Sie stellt ihr neuestes Werk vor - „Beyond the Screen - Film Works on Piano“. An ihrer Seite ist der wie immer sympathische RadioEins - Moderator und Filmkritiker Knut Elstermann.

Man muss auch mal die Musik zurückfahren können.

Vor einem sitzt, erzählt und lacht eine Frau, die eine Natürlichkeit ausstrahlt, die ich schon lange nicht mehr bei Filmgrößen gesehen habe. Und groß ist sie. Als erste Frau, die nicht Teil eines Komponisten-Teams war, gewann sie einen Oscar für die beste Filmmusik für den Film EMMA. Es ist zwar schon etwas her, aber in diesem Falle darf man betonen, dass es erst 1996 war, als eine Frau einen Academy Award in dieser Kategorie erhielt. 2015 erhielt sie zudem als erste Frau einen Primetime Emmy Award für BESSIE. Diese Fakten könnte sie herausstreichen, damit prahlen, aber sie legt eine Bescheidenheit an den Tag, die man heutzutage lange suchen muss in Hollywood und generell im Filmbusiness. Wenn sie Musik von sich hört, fragt sie sich häufig bescheiden: „Habe ich das wirklich geschrieben?“ Charmant. Sie gibt lediglich zu, dass der Oscar ihr Türen geöffnet hat und weitere Projekte ermöglichte. "Plötzlich wird einem als junger Mensch zugetraut große Filmprojekte umzusetzen." Der Wandel nach dem Oscar war schon riesig. Aber wie fing alles an?

Rachel_Portman_02.JPG

Sie wollte schon immer Geschichten durch die Melodie erzählen. Im Alter von 14 Jahren begann sie zu komponieren und studierte anschließend Musik an der Universität Oxford. Ihre ersten Berührungen mit dem Film hatte sie als junge Komponistin, als sie an einem Studentenfilm arbeitete, mit einem damals noch unbekannten Hugh Grant. Das muss lange her gewesen sein, denkt man sich da. Sie erzählt, dass man als Komponistin beim Film kein großes Ego haben darf. Dass man im Team arbeiten können muss, für eine gemeinsame große Sache. Sie bemängelt durchaus, dass in den heutigen Filmen fast durchgehend Musik ertönt. „Man muss auch mal die Musik zurückfahren können“, sagt sie selbst als Musikerin. Man spürt, dass sie ihren Job liebt.

Zu ihrem Schaffen gehört der tolle, aber für mich mit zu vielen wichtigen Themen überladene THE CIDER HOUSE RULES - der deutsche Titel GOTTES WERK UND TEUFELS BEITRAG. An der Musik für den Film über ein Waisenhaus in Neuengland schrieb sie ganze sechs Monate. Es gibt ein kurzes Motiv aus dem Original-Soundtrack, aus dem sich dann der gesamte Soundtrack entwickelte. Regisseur Lasse Hallström sprach sie auf dieses Motiv an, als sie schon wieder an einem anderen Projekt arbeitete und ließ dann das Motiv zu einer vollständigen Melodie entwickeln und zum Hauptthema des Films ausbauen. Mit Regisseur Lasse Hallström arbeitete sie auch an CHOCOLAT, nach GOTTES WERK UND TEUFELS BEITRAG ihre dritte Oscar-Nominierung. Dieses Mal schrieb sie die Musik in nur dreieinhalb Wochen. Hier wollte sie nichts Sentimentales kreieren oder süße Töne erschaffen. Sie erzählt, dass sie manchen Personen ein Thema gibt oder einen Platz zuweist, ein Leitmotiv erstellt. Das macht sie alles nach wie vor mit Stift und Papier, belächelt sie. Ihre mit einem Oscar prämierte Musik zu EMMA von Regisseur Douglas McGrath wollte sie der Hauptdarstellerin Gwyneth Paltrow wie ein Kostüm überstülpen und das, obwohl sie bereits die schönsten Kleider im Film trug.

Rachel_Portman_03.jpg

Mit dem Regisseur Wayne Wang arbeitete sie drei Mal, an THE JOY LUCK CLUB, SMOKE und DER SEIDENFÄCHER. Bei ihm liebt sie es, dass er trotz seiner Erfolge immer wieder Independentfilme macht. Auch wenn die Projekte riskanter sind, bleiben sie interessanter. In den letzten 20 Jahren hat sich das Filmbusiness für sie sehr gewandelt. Es gäbe immer weniger Budget für Filmmusik, erzählt sie. Persönlich ließ sie sich am meisten beeinflussen von Johann Sebastian Bach. Ihn studierte sie über Jahrzehnte. Seine Musik half ihr in manchen Situationen, tröstete sie.

Der Film braucht ihre [weiblichen] Stimmen.

Ob ihr bewusst sei, dass sie die Türen für viele Frauen geöffnet habe, fragt Knut Elstermann und erwähnt unter anderem die in Island geborene Hildur Guðnadóttir, die mit ihrer Musik zum Film JOKER einen Oscar gewann und gerade mit dem sechsfach oscarnominierten TÁR mit Cate Blanchett und Nina Hoss in den Hauptrollen im Kino zu hören ist. „Der Film braucht ihre Stimmen“, wirft sie dieses Mal selbstsicher ein.

Mit dem bereits erschienenen „Beyond the Screen - Film Works on Piano“ hat sie ein sehr persönliches Album erschaffen, das sie auch in Berlin aufnahm. Vom Arrangement bis zur Performance verantwortete sie hier alles selbst. So ureigen, weil sie ihre eigene Musik selbst interpretierte. Die 20 Piano-Arrangements sind weiterhin so zurückhaltend wie sie selbst. Es ist nichts Überladenes dabei, nichts Unnötiges, maximal begleitet von einem Cello. Und dabei ist es keine Nachbildung ihres Schaffens. Es ist eine musikalische Reise ihrer wegweisenden Karriere. Die Musik wirkt enthüllt, so rein. Eben natürlich, wie die Person Rachel Portman selbst.

Wie findet Ihr die Filmmusiken von Rachel Portman?


Rachel_Portman.jpeg


© 2023 Sony Music Entertainment Germany GmbH